Auch der „Zeuge vom Hörensagen“ kann zur Beweisführung im Strafprozess genutzt werden. Hier gilt: Stehen Zeugen, die die zu beweisende Tatsache aus eigener Wahrnehmung bekunden können, nicht zur Verfügung, sind sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erreichbar oder ändern sie ihr Aussageverhalten im Laufe der Hauptverhandlung, so kann an ihrer Stelle ein Zeuge vom Hörensagen vernommen werden. :
Zum Zeugenbeweis bei uns:
Zeuge vom Hörensagen ist zulässiges Beweismittel
Da der Zeuge vom Hörensagen nicht aus eigener Anschauung bestätigen kann, ob das ihm Berichtete der Wahrheit entspricht, hat seine Aussage einen geringeren Beweiswert als die eines unmittelbaren Zeugen. Sie ist daher vom Tatrichter besonders sorgfältig und kritisch zu prüfen.
Allerdings können, mit ständiger Rechtsprechung des BGH, auf solche Aussagen von „Zeugen vom Hörensagen“ Feststellungen, welche den Schuldspruch tragen, nur dann gestützt werden, wenn die Bekundungen durch andere gewichtige Beweisanzeichen außerhalb der Aussagen bestätigt worden sind. Sollen Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren als Belastungsindizien herangezogen werden, müssen diese zudem in der Hauptverhandlung prozessordnungsgemäß festgestellt und im Urteil beweiswürdigend belegt werden (dazu BGH, 4 StR 297/20).
Daher sind auch die Angaben eines Zeugen vom Hörensagen einer Würdigung zugänglich und können einer Verurteilung zugrunde gelegt werden, wenn seine Angaben durch andere gewichtige Beweisanzeichen bestätigt werden.
Höhere Anforderungen bei schweigendem Angeklagten
An die Sorgfalt und Vollständigkeit der vom Tatgericht vorzunehmenden und in den Urteilsgründen darzulegenden Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse sind erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn – wie hier – ein nicht geständiger Angeklagter im Wesentlichen durch die Angaben eines Zeugen überführt werden soll und dessen Bekundungen nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden können. Denn in solchen Fällen kann das Tatgericht die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Beweisperson und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben nicht originär, sondern nur vermittelt durch den Bericht der Vernehmungsperson beurteilen.
Auf die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen kann eine Feststellung jedenfalls regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn sie durch andere gewichtige und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehende Gesichtspunkte bestätigt wird (BGH, 4 StR 413/22).
Durchsuchung wegen Zeuge vom Hörensagen
Für die Zulässigkeit einer in einem frühen Ermittlungsstadium regelmäßig in Betracht kommenden Durchsuchung beim Beschuldigten nach § 102 StPO genügt bekanntlich der über bloße Vermutungen hinausgehende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt. Ein hinreichender oder gar dringender Tatverdacht ist – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht erforderlich.
Zwar sind die Angaben eines Zeugen, der nicht aus eigener Wahrnehmung über einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt berichten kann, weniger zuverlässig als die Angaben eines unmittelbaren Zeugen. Deshalb ist aber nicht umgekehrt den Angaben eines Zeugen vom Hörensagen von vornherein jeder Beweiswert abzusprechen; vielmehr können auch die Angaben eines mittelbaren Zeugen den für eine Durchsuchung ausreichenden Anfangsverdacht begründen (OLG Hamm, 3 RVs 16/23 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 12. August 2015 – 5 StB 8/15 -, NStZ 2016, 370). Allerdings ist zu beachten, dass insbesondere bei anonymen Zeugen sehr strenge Maßstäbe anzulegen sind, die für sich genommen nicht ausreichen können, um eine Durchsuchung anzuordnen (BVerfG, 2 BvR 2474/14).
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