Mit Beschluss vom 1. August 2024 hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Strafsache 2 StR 107/24 dem Großen Senat für Strafsachen mehrere Fragen zur Klärung vorgelegt. Anlass sind unterschiedliche Auffassungen zwischen den Strafsenaten des BGH zur Auslegung des neuen Konsumcannabisgesetzes (KCanG), das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Es geht im Wesentlichen um die Frage, wie mit dem Besitz von Cannabis umzugehen ist, wenn es sowohl zum Eigenkonsum als auch zum Verkauf bestimmt ist, und inwieweit solche Mengen eingezogen werden können.
Hinweis: Zu genau diesem Aspekt habe ich bei Juris in einem Beitrag Position bezogen und sehe eine klassische Privilegierung. Das bedeutet, wenn die Freimengen überschritten sind, entfällt der Tatbestand der Privilegierung vollständig und es verbleibt bei der ursprünglichen Strafbarkeit.
Hintergrund des Falls
Der Angeklagte führte 27,48 Gramm Marihuana und 19,8 Gramm Haschisch mit sich, die teilweise für den Verkauf und teilweise für den Eigenkonsum bestimmt waren. Er wurde einer Polizeikontrolle unterzogen, und die Betäubungsmittel wurden sichergestellt. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und ordnete die Einziehung der Drogen an.
Der 2. Strafsenat beabsichtigte, den Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis und des Besitzes von Cannabis in Tateinheit schuldig ist und die Einziehung der gesamten Menge anordnen zu lassen. Allerdings sah sich der Senat durch abweichende Entscheidungen anderer Senate des BGH daran gehindert, eine endgültige Entscheidung zu treffen.
Die Vorlage an den Großen Senat
Der 2. Strafsenat legte dem Großen Senat zwei zentrale Fragen zur Entscheidung vor:
- Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis bei gemischtem Zweck: Der Senat fragt, ob es bei der Beurteilung der Strafbarkeit darauf ankommt, wie viel Cannabis für den Eigenkonsum bestimmt ist. Muss die für den Eigenkonsum bestimmte Menge gesondert betrachtet werden, oder zählt die Gesamtmenge, unabhängig davon, ob sie zum Verkauf oder zum Eigenkonsum vorgesehen ist? In diesem Fall führte der Angeklagte sowohl die Verkaufsmenge als auch die Eigenkonsummenge mit sich. Der Senat möchte wissen, ob die gesamte Menge als Grundlage für die Strafbarkeit herangezogen werden muss oder ob der Eigenkonsumanteil straffrei bleibt, solange er innerhalb der gesetzlichen Freimengen liegt.
- Einziehung von Cannabis bei Eigenkonsum: Die zweite Frage betrifft die Einziehung von Cannabis. Der 2. Senat möchte geklärt wissen, ob auch die Menge, die für den Eigenkonsum bestimmt ist und die gesetzlichen Freimengen nicht überschreitet, eingezogen werden muss. Es besteht Uneinigkeit darüber, ob diese Eigenkonsummenge von der Einziehung ausgenommen werden muss oder ob die gesamte Menge – unabhängig vom Verwendungszweck – eingezogen werden kann.
Die unterschiedlichen Auffassungen der Senate
Die Notwendigkeit der Vorlage an den Großen Senat ergibt sich aus den unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Strafsenate des BGH. Während der 2. Senat der Meinung ist, dass die Gesamtmenge des Cannabis für die Strafbarkeit ausschlaggebend ist, vertreten andere Senate die Auffassung, dass der Eigenkonsumanteil gesondert zu betrachten ist und nicht zur Strafbarkeit führen darf, wenn er die in § 3 KCanG genannten Freimengen nicht überschreitet.
Insbesondere der 1., 4., 5. und 6. Strafsenat haben in ihren Entscheidungen teilweise anders argumentiert. Sie neigen dazu, dass die dem Eigenkonsum dienenden Mengen nicht unter das Strafrecht fallen und bei der Einziehung unberücksichtigt bleiben müssen. So hat der 5. Senat in einem Fall entschieden, dass der Besitz von Cannabis für den Eigenkonsum straffrei bleibt, wenn die Eigenkonsummenge die Freimengen des KCanG nicht überschreitet. Diese Differenzierung führt dazu, dass ein Täter zwar wegen Handeltreibens mit Cannabis verurteilt werden kann, der Besitz der Eigenkonsummenge jedoch straffrei bleibt.
Der 2. Senat hingegen vertritt die Auffassung, dass bei gemischtem Besitz – also Cannabis für den Verkauf und Eigenkonsum – die gesamte Menge strafbar ist und eingezogen werden kann. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei den Freimengen nicht um „Freimengen“ im eigentlichen Sinne, sondern um Grenzwerte, deren Überschreiten den gesamten Besitz strafbar macht.
Die Bedeutung der Entscheidung des Großen Senats
Die Entscheidung des Großen Senats ist von erheblicher Bedeutung, da sie die Rechtsunsicherheit beseitigen und eine einheitliche Anwendung des Konsumcannabisgesetzes sicherstellen soll. Mit dem Inkrafttreten des KCanG haben sich viele strafrechtliche Fragen neu gestellt, insbesondere im Umgang mit gemischtem Cannabisbesitz. Die Antwort des Großen Senats wird nicht nur die Strafbarkeit in solchen Fällen klären, sondern auch die Frage der Einziehung von Cannabispräparaten, die teilweise für den Eigenkonsum bestimmt sind.
Es bleibt abzuwarten, ob der Große Senat die Auffassung des 2. Senats teilt oder sich den anderen Strafsenaten anschließt, die für eine differenzierte Betrachtung zwischen Verkaufs- und Eigenkonsummengen plädieren. Die Entscheidung könnte zudem prägend für den weiteren Umgang mit Cannabis im Rahmen des neuen Gesetzes sein und richtungsweisende Vorgaben für die Strafverfolgung in Bezug auf Cannabisbesitz liefern.
Ausblick
Die Vorlage des 2. Strafsenats an den Großen Senat zeigt, dass selbst nach der Legalisierung von Cannabis für den Eigenkonsum durch das Konsumcannabisgesetz noch viele rechtliche Fragen ungeklärt sind. Insbesondere die Abgrenzung zwischen strafbarem Besitz zum Zweck des Handels und straffreiem Besitz für den Eigenkonsum muss präzisiert werden. Der Große Senat steht vor der Herausforderung, eine Entscheidung zu treffen, die nicht nur den Gesetzeswortlaut widerspiegelt, sondern auch die Intention des Gesetzgebers und den Schutz der Allgemeinheit vor illegalem Handel mit Cannabisprodukten berücksichtigt.
Die Entscheidung des Großen Senats wird wegweisend sein für die Handhabung des Konsumcannabisgesetzes und könnte eine klare Linie für die zukünftige Rechtsprechung vorgeben. Bis dahin bleibt die Frage offen, wie Gerichte den gemischten Besitz von Cannabis zu beurteilen haben und welche Mengen von der Einziehung ausgenommen werden müssen.
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