BGH zur Kronzeugenregelung im Cannabisrecht: Mit Urteil vom 27. März 2025 (4 StR 565/24) hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Anwendung der Kronzeugenregelung nach § 35 KCanG präzisiert. Die Entscheidung beleuchtet das Verhältnis zwischen tatsächlicher Aufklärungshilfe und ihrer strafmildernden Wirkung im Rahmen des neuen Cannabisgesetzes – unter ausdrücklicher Rückgriff auf die gefestigte Rechtsprechung zu § 31 BtMG. Im Zentrum steht die Frage, wann ein Zusammenhang zwischen der vom Angeklagten begangenen Tat und der aufgedeckten Tat Dritter besteht – und ob eine solche Verbindung für die Anwendung des vertypten Milderungsgrundes genügt.
Hintergrund und prozessuale Ausgangslage
Der Angeklagte war wegen gewerbsmäßiger Einfuhr und des Handeltreibens mit Cannabis in mehreren Fällen verurteilt worden. Er hatte im Ermittlungsverfahren Angaben zu einer weiteren, bislang nicht vollständig aufgeklärten Tat eines gesondert Verfolgten gemacht, der daraufhin identifiziert und später rechtskräftig verurteilt wurde. Das Landgericht bewertete dies als Aufklärungshilfe i.S.d. § 35 Satz 1 Nr. 1 KCanG und nahm in allen Fällen eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB vor. Das führte zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren – gegen die die Staatsanwaltschaft erfolgreich Revision einlegte.
Dogmatische Klärung durch den BGH
Der BGH hebt in seinem Urteil hervor, dass die Anwendung des Milderungsgrundes nach § 35 KCanG voraussetzt, dass die Angaben des Angeklagten wesentlich zur Aufdeckung einer mit seiner eigenen Tat „im Zusammenhang stehenden“ Straftat beigetragen haben. Dabei genügt weder eine bloß parallele Tatzeit noch ein ähnlicher Modus Operandi. Vielmehr verlangt das Tatbestandsmerkmal „Zusammenhang“ einen inneren und verbindenden Bezug zwischen der aufgedeckten und der eigenen Tat. Das kann sich etwa aus einem gemeinsamen Täterkreis, aus organisatorischen Verbindungen oder aus arbeitsteiliger Tatbegehung ergeben – nicht jedoch allein aus der Tatsache, dass ein Täter bei mehreren Gelegenheiten Marihuana kauft und verkauft, und dabei mit wechselnden Partnern agiert.
Konkret fehlte es hier an der Feststellung einer personellen, logistischen oder wirtschaftlichen Verbindung zwischen den vom Angeklagten offenbarten Taten des Dritten und denjenigen Taten, bei denen der Angeklagte selbst nicht mit dem Dritten zusammengewirkt hatte. Der BGH stellt fest, dass eine „Einkaufsgemeinschaft“ nur punktuell bestand, und dass sich aus der Gleichartigkeit der Ausführung – also Marihuana-Transporte aus den Niederlanden mittels Encrochat-Kommunikation – kein hinreichender struktureller Zusammenhang ergibt. In den Fällen, in denen der Angeklagte eigenständig oder mit anderen Personen agierte, greife die Milderung nach § 35 KCanG deshalb nicht.
Zwar erkannte der Senat an, dass in zwei Fällen ein relevanter Zusammenhang zwischen der offenbarten Tat und dem Handeln des Angeklagten bestanden haben könnte – dies rechtfertige jedoch nicht die Anwendung des Milderungsgrundes auf alle Taten.
Konsequenzen für die Strafzumessung
Die fehlerhafte Anwendung des § 35 KCanG wirkte sich massiv auf den verhängten Strafrahmen aus. Der BGH betont, dass die bloße Verknüpfung mehrerer gleichartiger Taten nicht zu einer pauschalen Privilegierung führen darf. Vielmehr sei es Aufgabe des Tatrichters, präzise darzulegen, in welchem konkreten Umfang ein Aufklärungserfolg erzielt wurde – und wie sich dieser auf die eigene Strafwürdigkeit des Angeklagten auswirkt.
Auch die Gesamtstrafenbildung wurde beanstandet: Der enge Zusammenschluss mehrerer Einzelfreiheitsstrafen zur gesetzlichen Mindeststrafe von zwei Jahren wurde als zu wenig begründet gewertet, zumal die Einsatzstrafe (1 Jahr und 9 Monate) nur marginal überschritten wurde. Der Senat verlangt hier eine ausdrückliche, selbständige Strafzumessung nach § 54 StGB – insbesondere bei Grenzfällen, in denen der Strafrahmen nur knapp modifiziert wurde.
Fazit
Der BGH-Entscheidung vom März 2025 kommt erhebliche Bedeutung zu – nicht nur wegen ihrer systematischen Klarheit, sondern auch wegen ihrer kriminalpolitischen Reichweite. Sie schärft das Profil des § 35 KCanG als Ausnahmeregelung, die strenge Voraussetzungen verlangt. Die Quintessenz: Strafmilderung für Kronzeugen setzt mehr voraus als bloße Kooperation – erforderlich ist ein nachweisbarer, substantieller und tatbezogener Aufklärungserfolg. Andernfalls bleibt der Gedanke schuldangemessenen Strafens vorrangig.
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