Das Landgericht München I hat am 15. Dezember 2023 in einem aufsehenerregenden Urteil die Angeklagten A. T. und D. N. wegen Steuerhinterziehung verurteilt (Az. 6 KLs 301 Js 149894/21). Diese Entscheidung beleuchtet die komplexen Zusammenhänge bei der Übertragung von betrieblichen Forderungen eines Einzelunternehmens auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und die damit verbundenen steuerrechtlichen Implikationen. In diesem Blog-Beitrag werden die wesentlichen Punkte der Entscheidung, die angewandten gesetzlichen Bestimmungen und deren Bedeutung im Steuerstrafrecht erläutert.
Sachverhalt
Die Angeklagte A. T. betrieb in München eine Werbeagentur als Einzelunternehmerin unter dem Namen „A.P.“. Der Mitangeklagte D. N. führte ebenfalls als Einzelunternehmer ein Café und ein Restaurant in München. Beide erwarben im April 2020 eine Vorratsgesellschaft und wandelten diese in die „L. P. GmbH“ um, wobei sie fälschlicherweise den Geschäftssitz nach Grünwald verlegten, um von einem niedrigeren Gewerbesteuerhebesatz zu profitieren.
Durch diese Verlagerung und andere Täuschungshandlungen gegenüber dem Finanzamt München, verkürzten die Angeklagten die Gewerbesteuer um insgesamt 8.227.781,10 Euro, was zu einem wirtschaftlichen Schaden von 4.195.781,10 Euro für die Stadt München führte. Beide Angeklagte wurden aufgrund dieser Handlungen der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Rechtliche Analyse
Übertragung von betrieblichen Forderungen
Ein zentraler Aspekt des Falls war die Übertragung von betrieblichen Forderungen des Einzelunternehmens auf die GbR. Nach § 4 Abs. 3 EStG stellt eine solche Übertragung eine Entnahme dar, die zur Gewinnrealisierung und somit zur Einkommensteuerpflicht führt. Das Gericht entschied, dass auf solche Übertragungsvorgänge § 20 UmwStG nicht anwendbar ist, was bedeutet, dass keine steuerneutrale Übertragung vorliegt und die Einkünfte im Zeitpunkt der Übertragung realisiert werden müssen.
Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO
Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung basierte auf § 370 AO, der das vorsätzliche Verkürzen von Steuern unter Strafe stellt. Die Angeklagten hatten durch die falschen Angaben gegenüber dem Finanzamt und die unberechtigte Nutzung des niedrigeren Gewerbesteuerhebesatzes in Grünwald die Steuerverkürzung bewirkt. Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagten vorsätzlich gehandelt hatten, indem sie wissentlich falsche Angaben machten und dadurch einen erheblichen Steuerschaden verursachten.
Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der Mitangeklagte D. N. wurde zusätzlich wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Nach § 27 StGB wird jemand, der einem anderen zu einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat Hilfe leistet, als Gehilfe bestraft. D. N. hatte aktiv an den Täuschungshandlungen mitgewirkt und somit zur Steuerhinterziehung beigetragen.
Urteil und Sanktionen
Das LG München I verurteilte die Angeklagte A. T. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten. Der Mitangeklagte D. N. erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Beide wurden zudem zur Zahlung der Verfahrenskosten und ihrer notwendigen Auslagen verurteilt.
Bedeutung der Entscheidung
Diese Entscheidung unterstreicht die strengen Anforderungen und Konsequenzen im Steuerstrafrecht, insbesondere bei der Übertragung von betrieblichen Forderungen und der Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten zur Steuerverkürzung. Das Urteil betont, dass Übertragungen zwischen Einzelunternehmen und Gesellschaften nicht ohne steuerliche Auswirkungen bleiben und dass vorsätzliche Steuerverkürzungen erhebliche strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Fazit
Die Entscheidung des LG München I verdeutlicht die komplexen steuerrechtlichen Anforderungen bei der Übertragung von betrieblichen Forderungen und die harten Sanktionen bei Steuerhinterziehung.
Unternehmen und Steuerpflichtige sollten sich der steuerlichen Folgen ihrer Handlungen bewusst sein und sich rechtzeitig steuerrechtlich beraten lassen, um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Die Transparenz und Richtigkeit gegenüber den Finanzbehörden sind essenziell, um rechtliche und finanzielle Risiken zu minimieren.
- Cyberversicherung: OLG Schleswig verwirft Berufung - 25. Januar 2025
- Softwareprojekte zwischen Werk- und Dienstvertrag - 25. Januar 2025
- LG Hanau zur Zulässigkeit der Aufnahme von Polizeieinsätzen - 25. Januar 2025