OLG Rostock: Daten aus Encrochat-Ermittlungen verwertbar

Das OLG Rostock (20 Ws 121/21) hat in Sachen , nach seinem früheren Beschluss, nochmals „nachgelegt“ und bekräftigt: Es gibt kein hinsichtlich der im Ausland gewonnenen Encrochat-Daten. Es betont insoweit nochmals ausdrücklich, dass aus seiner Sicht selbst dann, wenn die Beweiserlangung rechtsfehlerhaft gewesen wäre, die Erkenntnisse verwertet werden dürften.

Insoweit erinnert das OLG daran, dass von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts existiert, das im Falle einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Dem deutschen Strafverfahrensrecht ist ein allgemein geltender Grundsatz fremd, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht. Die Frage ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden – und da hat das OLG Rostock deutliche Worte.

Hinweis: Zum Thema Kryptomessaging und Beweisverwertungsverbot findet sich von RA JF in der Literatur eine Darstellung bei §174 TKG Rn. 4, 35 im BeckOK-StPO (Beweisverwertungsverbot und EUGH-Rechtsprechung) sowie in jurisPR-StrafR 11/2023 Anm. 4 (LG Darmstadt)!
Beachten Sie auch die zahlreichen Beiträge in unserem Blog zum Schlagwort „Kryptomessenger“!

Nunmehr, geradezu aggressiv, macht das OLG deutlich, dass man gar keine Lust hat, eine Beweisverwertung dort zu sehen, wo sich technisch abgeschirmte Sphären schafft:

Bei der bewußten Entscheidung des Angeklagten für die Kommunikation ein Krypto-Handy der Firma EncroChat zu verwenden in der Kenntnis, dass eine darüber geführte Kommunikation mutmaßlich nicht abgehört werden kann und dann zur Begehung und Planung von Straftaten zu verwenden, lässt sich schwerlich mit der Einordnung als schützenswerte Sphäre vereinbaren.

Der Senat ist der Auffassung, dass gerade im Bereich der organisierten Kriminalität, insbesondere beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die noch dazu bandenmäßig ausgeführt werden soll, die Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Persönlichkeitsschutz, dem Strafverfolgungsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Die Benutzer solcher Handykommunikation haben sich sehenden Auges in eine nicht schützenswerte Sphäre begeben. Die Intention sich mit dieser Kommunikationsform in Sicherheit vor staatlicher Überwachung zu begeben und so ungestört kriminellen Geschäften nachzugehen, verdient im Sinne des Interesses des Staates an einer Aufklärung schwerster Betäubungsmittelstraftaten keinen Schutz.

Wir erinnern uns: Das OLG Rostock war eben jenes OLG, das klar stellte, dass schon die Nutzung eines Encrochat-Handys für sich für ein kriminelles Verhalten spricht. Da ist es am Ende schon fast nur konsequent, diesem Nutzungsverhalten jeglichen Schutz abzusprechen – und genau das tut man hier: Wer so kommuniziert, der sieht sich mit dieser Entscheidung letztlich jeglichem, bis zur Willkür reichenden, Zugriff der Ermittlungsbehörden ausgesetzt. Eine gefährliche Präzedenzrechtsprechung, die das OLG hier schafft.

Man sieht beim OLG Rostock wohl selber dieses Risiko und führt aus, dass man jedenfalls bei deutlicher Menschenrechtswidrigkeit eine Grenze ziehen würde – und nimmt nunmehr Bezug auf das OLG Schleswig, das sich auch schon zu Encrochat geäußert hatte:

Für eine Verwertbarkeit spricht auch, dass die Beweisbeschaffung durch die Strafverfolgungsbehörden nicht von vornherein mit dem Makel besonders deutlicher Menschenrechtswidrigkeit behaftet ist oder selbst die Menschenwürde verletzt (…).

Das OLG Schleswig hat in seiner Entscheidung (…) ausgeführt, dass §100e Abs.6 StPO auch bei grenzüberschreitenden Ermittlungen geeignete Maßstabsnorm des deutschen Strafverfahrensrechts für die Verwertung von aus dem Ausland erlangter Daten sei.

Insoweit dürfen auch Zufallsfunde aus im Ausland geführten Ermittlungen verwertet werden, wenn im Zeitpunkt ihrer Verwendung die aus §§100b, 100c StPO folgenden Anforderungen erfüllt seien. An die von französischen Strafverfolgungsbehörden erfolgte Auswertung der Telekommunikation mit Krypto-Telefonen der Plattform EncroChat könne am ehesten der Maßstab für eine Onlinedurchsuchung (…) angelegt werden. Soweit im europäischen Rechtsverkehr die gemäß Art. 31 RL 2014/41/EU vorgesehene Unterrichtung des anderen Mitgliedsstaates von der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs unterblieben sei, könne dies auf europäischer Ebene durch deren Verwendung geheilt werden. Maßgeblich sei aber eine Abwägung zwischen dem Interesse eines Betroffenen an der Einhaltung von Verfahrensvorschriften und dem Interesse der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung der dem Angeklagten vorgeworfenen Delikte (…). Angesichts des Vorwurfs gravierender Betäubungsmitteldelikte scheide die Annahme eines Verwertungsverbots aus. Diese Maßstäbe gelten auch in dem vorliegenden Fall.

Man merkt: Die OLG finden ihre Rechtsprechung wechselseitig gut und dürften sich nicht zufällig zunehmend gegenseitig zitieren. Die klare Ansage an organisierte Kriminalität ist dabei nicht mehr zu verkennen: Wer sich aus der legalen Kommunikations-Sphäre bewusst heraus bewegt, der muss damit rechnen, dass jeglicher Zugriff durch deutsche OLG im zweifelsfall abgesegnet wird; selbst wenn es an formellen Voraussetzungen fehlt, wird man doch kein Beweisverwertungsverbot annehmen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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