Kommentar: Der Gesetzgeber wacht beim Cybercrime auf – er ist selber betroffen

Nach dem Bekanntwerden der Veröffentlichung von persönlichen Daten von Politikern und Prominenten ist nun die Aufregung groß – da lese ich zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung von einem Politiker:

Grünen-Chef Robert Habeck forderte eine bessere Ausrüstung und Ausbildung der Polizei für solche Delikte. Man brauche eine „Cyber-Polizei“, sagte er am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Die Polizei muss ertüchtigt werden, solche Leute zu fassen.“

SZ-Online, 7. Januar 2019, 06:25 Uhr, Hackerangriff

„Ach!?“ ist das erste was mir einfällt wenn ich diese Zeilen lese: Da schimpfen Ermittler und Anwälte gleichermaßen über die schlechte Ausstattung der Behörden und Justiz in diesem Bereich, aber kaum ist ein Politiker mit wohl eher nicht so spannenden Daten betroffen, da wacht man dann auf. Jahrelang stehe ich bereits Menschen bei, die sich gegen Stalking, Telefon-Terror, Facebook-Beleidigungen, Fake-Rezensionen und digitale Bloßstellungen wehren bei einem letztlich dann in Schlagkraft und vor allem Reaktions-Geschwindigkeit doch eher überschaubaren juristischen Maßnahmenkatalog. Aber kaum sind Parlamentarier betroffen, da rotiert die Maschine.

Es ist gut, dass zumindest Einzelne erkannt haben, dass die Nummer jetzt eher nach einem akribischen Script-Kiddie als dem großen Hacker aussiehtund dass die Politiker jetzt, die sich getroffen fühlen, nur einige wenige von Millionen anderer Betroffener sind. Vor allem ist es für mich auf keinen Fall vergleichbar mit erheblichen Angriffen wie etwa „The Fappening„, wo systematisch Daten von Prominenten ausgespäht wurden.

Aber auch die Rufe jetzt nach einer echten Umsetzung von IT-Sicherheit werden es kaum richten: Mittelständische Unternehmen sind im Bereich IT-Sicherheit nicht sauber aufgestellt und hier wird es noch lange einen Zustand geben, der nicht vom Gesetzgeber in aller Kürze zu ändern ist. Wichtiger ist, dass die Parlamentarier, die nun zumindest im Ansatz wissen, wie sich betroffene Menschen fühlen, endlich erkennen, wie wenig Schutz Opfer haben, wie langsam Justiz arbeitet und wie wenig man gegen Plattformen derzeit unternehmen kann, die sich jeglicher Verantwortung entziehen. Dabei mag man anwaltlich durchaus einiges erreichen, insbesondere können bei vielen Providern Abschaltungen erreicht werden; doch – und nun kommt der nächste Punkt – welcher Verbraucher hat denn einen Mitarbeiterstab oder das notwendige Kleingeld, um sich einen Dienstleister zu leisten, der über Stunden hinweg hier Zeit investiert?

Es ist doch die Krux, dass man bei all diesen Straftaten als Opfer plötzlich und ungewollt in die Öffentlichkeit gezogen, bloss gestellt, wird – und der sehnlichste Wunsch, einfach nur Ruhe zu haben, nicht in Erfüllung geht, weil sowohl zivilrechtlich wie strafrechtlich einfach alles nur elendig lange dauert. Wenn dann der Anwalt beispielsweise der einzige ist, der den Ermittlungsbehörden nach einem schlichten Traceroute erst einmal erklären muss, bei welchem Provider ein Server steht und auf welcher rechtlichen Grundlage eine samt Stilllegung von Inhalten stattfinden kann hat man eine ungefähre Vorstellung, wie sehr es an Fachkräften im Bereich Cybercrime mangelt.

Da helfen auch die tollen eingerichteten Cybercrime-Zentren der Polizei nicht, die grossteils nicht mal brauchbare Webseite haben – so wenig wie ein „Cyberabwehrzentrum Plus den Opfern helfen wird die einmal betroffen sind. Wenn man sieht, dass die Zentralen Cybercrimestellen der Polizeien in Deutschland dann allen ernstes in einem PDF aufgelistet sind und nicht mal eine Linkliste vorgehalten wird (was auch durchaus sinnlos wäre wenn es nicht mal überall vernünftige eigene Internetangebote gibt – zugegeben), mag man sich dies als treffende Beschreibung des Sachstandes bei den Ermittlungsbehörden vorhalten lassen (gleichwohl ist an der Stelle insbesondere das Angebot in NRW sowie das des BKA hervorzuheben, die sich positiv hervor tun).

Es ist gut, dass endlich an der richtigen Stelle Menschen aufgewacht sind. Traurig ist, dass man nun auf diesem Weg erleben musste, wie es sich konkret anfühlt, so etwas wünsche ich keinem – ich kann aber nur anmahnen, dass es eine Vielzahl Menschen gibt, die sich alleine gelassen fühlen und die sehr viel weniger Ressourcen haben um sich zu wehren, bei erheblich mehr verursachtem Schaden, der reichen kann bis hin zu einem Gefühl eines zerstörten und erheblichen psychischen Beeinträchtigungen. Dabei dürfte der ein oder andere es durchaus als Hohn erleben, nun zu sehen, wie schnell die Behörden zugreifen können, wenn es um Parlamentarier geht – während man selbst etwas länger warten darf.

Der Gesetzgeber muss endlich Möglichkeiten schaffen, um zielgerichteter zivilrechtlich gegen Inhalte vorzugehen, Auskunftsansprüche gegen Dritte schneller umzusetzen (einen einstweiligen gibt es faktisch nicht), das Sperren von Inhalte angehen und die Ermittlungsbehörden personell besser aufstellen. Befremdlich ist, wie viel Energie der Gesetzgeber auf Bundes- und EU-Ebene bei dem Thema Urheberrecht investieren konnte und kann. Es wäre wünschenswert, wenn man dies nun endlich auch einmal beim schafft, nachdem man die Problematik und das Leid so vieler Menschen über Jahre hinweg ignoriert hat. Andernfalls dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis es wieder Parlamentarier erwischt – dann vielleicht richtig.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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