Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) befasste sich in der Entscheidung vom 27. Mai 2020 (Az. 18 Sa 1109/19) mit der Frage, ob ein ehemaliger Mitarbeiter eines Unternehmens durch die Nutzung seines privaten LinkedIn-Accounts Geschäftsgeheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers verletzt hat. Diese Entscheidung beleuchtet die Abgrenzung zwischen privater und geschäftlicher Nutzung von Social-Media-Accounts und die Anforderungen an den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Hinweis: Die Sache befindet sich im Rechtsmittel beim Bundesarbeitsgericht, AZ 10 AZN 659/20.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Unternehmen, das Maßhemden und -anzüge herstellt, warf ihrem ehemaligen Mitarbeiter (dem Beklagten) vor, über seinen LinkedIn-Account Kundenkontakte gesammelt und damit Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens genutzt zu haben. Der Beklagte war bis zum 30. September 2018 als Leiter eines Maßateliers in Frankfurt für die Klägerin tätig.
Nach seiner Kündigung und während seiner Freistellung von der Arbeit stieg die Zahl seiner LinkedIn-Kontakte erheblich an, darunter auch Kontakte zu Kunden der Klägerin. Die Klägerin verlangte Unterlassung, Herausgabe und Löschung der Kundendaten von dem Beklagten, da sie der Meinung war, er habe diese Daten zur Vorbereitung seiner eigenen Selbstständigkeit genutzt.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies die Klage der Klägerin ab. Es stellte fest, dass die LinkedIn-Kontakte des Beklagten kein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 17 UWG aF (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, alte Fassung) darstellten. Es war nicht nachweisbar, dass der Beklagte gezielt Kunden der Klägerin kontaktiert hatte, um diese für seine eigene geschäftliche Tätigkeit zu nutzen. Zudem war der LinkedIn-Account des Beklagten ein privater Account, der nicht zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten genutzt wurde.
Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts
Berufung und Verfahrensgang
Die Klägerin legte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ein und wiederholte ihre Argumentation, dass der LinkedIn-Account des Beklagten als sogenannter „Mischaccount“ zu qualifizieren sei und daher ein Anspruch auf Herausgabe und Löschung der Daten bestehe. Sie machte geltend, dass der Beklagte gezielt Kundenkontakte gesammelt habe, um diese für seine eigene Selbstständigkeit zu nutzen.
Rechtliche Analyse
Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies die Berufung der Klägerin zurück. Es stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung, Herausgabe oder Löschung der LinkedIn-Kontakte des Beklagten habe:
- Kein Geschäftsgeheimnis:
Die LinkedIn-Kontakte des Beklagten stellten kein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 17 UWG aF dar. Ein Geschäftsgeheimnis erfordert, dass die Informationen nicht offenkundig sind, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Unternehmens geheim gehalten werden sollen. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass der Beklagte gezielt eine Kundenliste im Sinne eines Geschäftsgeheimnisses angelegt hatte. - Keine arbeitsvertragliche Nutzung:
Der LinkedIn-Account des Beklagten war ein privater Account, der nicht zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten genutzt wurde. Es war nicht ersichtlich, dass der Beklagte von der Klägerin angewiesen worden war, seinen LinkedIn-Account für geschäftliche Zwecke zu nutzen. Die Tatsache, dass der Beklagte in seinem Profil seine Tätigkeit für die Klägerin angegeben hatte, reichte nicht aus, um den Account als geschäftlich zu qualifizieren . - Abgestufte Darlegungslast:
Die Klägerin konnte nicht ausreichend darlegen, dass der Beklagte gezielt Kunden der Klägerin kontaktiert hatte, um diese für seine eigene geschäftliche Tätigkeit zu nutzen. Der Beklagte hatte bestritten, eine Kundenliste geführt zu haben, und die Klägerin konnte dies nicht widerlegen.
Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied am Ende, dass der Beklagte seine LinkedIn-Kontakte nicht im Sinne eines Geschäftsgeheimnisses der Klägerin genutzt habe und die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung, Herausgabe oder Löschung der Daten habe. Die Berufung wurde abgewiesen, und die Revision nicht zugelassen.
Fazit
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung klarer vertraglicher Regelungen zur Nutzung von Social-Media-Accounts im Arbeitsverhältnis. Unternehmen sollten sicherstellen, dass die Nutzung solcher Accounts zu geschäftlichen Zwecken klar geregelt ist, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen. Zudem zeigt die Entscheidung, dass die bloße Angabe der beruflichen Tätigkeit in einem Social-Media-Profil nicht ausreicht, um den Account als geschäftlich zu qualifizieren und Ansprüche auf Herausgabe oder Löschung der Daten zu begründen.
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