Heimlich aufgezeichneter Telefonmitschnitt: Persönlichkeitsrecht vs. Pressefreiheit

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 16 U 26/23) vom 2. Mai 2024 befasst sich mit der Veröffentlichung eines heimlich aufgezeichneten Telefonats, das im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens durch die Behörden abgehört wurde.

Im Kern geht es um die Abwägung zwischen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem öffentlichen Interesse an Berichterstattung. Die Entscheidung beleuchtet dabei zentrale rechtliche Probleme, wie die Erkennbarkeit der betroffenen Person, den Umgang mit rechtswidrig erlangten Informationen sowie die Anforderungen an die .

Der Sachverhalt

Der Kläger, ein mutmaßlicher Funktionär einer kriminellen Gruppierung, hatte mit einem Kronzeugen telefoniert. Dieses Telefonat war im Rahmen einer polizeilichen aufgezeichnet worden. Später wurde der Mitschnitt im Zuge eines Strafverfahrens in einer öffentlichen vorgespielt. Dennoch gelangte die Tonaufnahme an zwei Medienunternehmen, die sie in ihren Beiträgen veröffentlichten. Der Kläger machte geltend, dass seine Stimme in den Berichten ohne Verfremdung verwendet wurde und er dadurch in seinem verletzt werde. Er verlangte die Unterlassung weiterer Veröffentlichungen.

Rechtliche Würdigung durch das Gericht

Das OLG Frankfurt bestätigte das Unterlassungsbegehren des Klägers und stützte sich dabei auf verschiedene rechtliche Argumentationen:

  1. Verletzung der Vertraulichkeitssphäre: Das Gericht stellte klar, dass das heimlich aufgezeichnete Gespräch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers eingreift. Diese wird sowohl vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht als auch durch das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) geschützt. Entscheidend war, dass die Veröffentlichung ohne Zustimmung des Klägers erfolgte und er selbst darüber entscheiden können muss, wem diese Inhalte zugänglich gemacht werden.
  2. Erkennbarkeit durch die Stimme: Die Erkennbarkeit des Klägers spielte eine zentrale Rolle. Das Gericht führte aus, dass für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erforderlich sei, dass eine breite Öffentlichkeit die betroffene Person identifizieren könne. Es reiche aus, dass ein begrenzter Personenkreis, etwa Freunde, Bekannte oder Kollegen, aufgrund der unverfremdeten Stimme Rückschlüsse auf den Kläger ziehen könne. Die Stimme wurde vom Gericht als ein individuelles, biometrisches Merkmal eingestuft, das eine klare Zuordnung ermögliche – ähnlich wie ein „akustischer Fingerabdruck“.
  3. Relevanz der Veröffentlichung im Strafverfahren: Die Veröffentlichung der Aufnahme wurde von den Beklagten damit gerechtfertigt, dass das Telefonat bereits in einer öffentlichen Hauptverhandlung vorgespielt worden war. Das Gericht sah hierin jedoch keinen Freibrief für die erneute und ungleich umfassendere Verbreitung in den Medien. Das öffentliche Abspielen vor Gericht sei räumlich und personell begrenzt gewesen. Im Gegensatz dazu habe die Veröffentlichung in Online-Medien ein wesentlich größeres Publikum erreicht und dadurch die Eingriffsintensität erhöht.
  4. Rechtswidrige Erlangung der Tonaufnahme: Die Tonaufnahme war durch Ermittlungsbehörden erstellt worden, doch es gab keine Befugnis, sie an Journalisten weiterzugeben. Das Gericht betonte, dass der rechtswidrige Erwerb der Aufnahme bei der Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit zu berücksichtigen sei. Auch wenn die Medien selbst nicht aktiv an der unrechtmäßigen Weitergabe beteiligt waren, mindere dies das Gewicht eines möglichen öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung.
  5. Interessenabwägung: Bei der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Pressefreiheit wies das Gericht darauf hin, dass die Inhalte des Telefonats keine substanzielle Relevanz für die Aufklärung des Mordfalls hatten. Zwar habe ein gewisses öffentliches Interesse an der Struktur der kriminellen Gruppierung bestanden, die Identität des Klägers sei jedoch nicht von zentraler Bedeutung gewesen. Die Veröffentlichung habe daher in erster Linie illustrierenden Charakter gehabt, was das Interesse der Presse nicht rechtfertigen könne.
Heimlich aufgezeichneter Telefonmitschnitt: Persönlichkeitsrecht vs. Pressefreiheit - Rechtsanwalt Ferner

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, die Privatsphäre auch in einem sensiblen Umfeld wie strafrechtlichen Ermittlungen zu wahren. Gleichzeitig gibt sie Journalisten klare Grenzen vor, insbesondere wenn sie mit rechtswidrig erlangtem Material arbeiten.

Fazit: Schutz des gesprochenen Wortes

Das Urteil des OLG Frankfurt a. M. hebt die Bedeutung des Schutzes des gesprochenen Wortes hervor, selbst in einem digitalen Zeitalter, in dem Informationen leicht verbreitet werden können. Der heimlich erstellte Mitschnitt und dessen unverfremdete Veröffentlichung stellen einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, der nicht durch die Pressefreiheit legitimiert wird, wenn kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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