Im Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Oktober 2024 (1 StR 58/24) wurden grundlegende Fragen zu den Verfahrensgarantien aus Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) behandelt. Der Fall betraf die Revision eines Angeklagten wegen Steuerhinterziehung. Der Schwerpunkt lag auf der Prüfung möglicher Verletzungen der Verteidigungsrechte und der Verfahrensfairness.
Sachverhalt
Der Angeklagte, ein zugelassener Anwalt, wurde vom Landgericht Wiesbaden zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten sowie zur Einziehung von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € verurteilt. Im Rahmen der Revision machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, dass seine Rechte aus Art. 6 EMRK verletzt wurden. Die Streitpunkte umfassten unter anderem den Zugang zu den Gerichten und die Einhaltung von Spezialitätsgrundsätzen.
Rechtliche Analyse
1. Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren
Art. 6 EMRK garantiert jedem Angeklagten das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren. Der Beschluss des BGH beleuchtet dabei insbesondere:
- Recht auf Verteidigung: Der Angeklagte argumentierte, dass die Verfahrensgestaltung seine Verteidigungsrechte unangemessen eingeschränkt habe. Der BGH stellte jedoch klar, dass keine Beeinträchtigung vorlag, da die Gegenerklärung des Angeklagten formell zulässig eingebracht wurde und inhaltlich geprüft werden konnte.
- Prüfung von Verfahrenshindernissen: Ein besonderes Augenmerk lag auf dem Spezialitätsgrundsatz. Dieser besagt, dass ein aus einem anderen Staat ausgelieferter Angeklagter nur für die Straftaten verfolgt werden darf, die im Auslieferungsersuchen benannt wurden. Der BGH befand, dass diesbezüglich keine Verstöße vorlagen, da die entsprechenden Einwendungen nicht durchdrangen.
- Denn: Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründet einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Verfahrenshindernis begründet durch Umstände, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Diese müssen so schwer wiegen, dass von ihnen die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss.
2. Beurteilung der Verfahrensrügen
Die formellen Anforderungen der Strafprozessordnung (StPO) wurden als erfüllt betrachtet. Der BGH überprüfte die Vorwürfe auf Basis des materiellen und formellen Rechts und befand, dass keine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder anderer Garantien aus Art. 6 EMRK vorlag.
Fazit
Der BGH hob hervor, dass die Rechte aus Art. 6 EMRK hohe Anforderungen an die Verfahrensgestaltung stellen. Der Beschluss verdeutlicht, dass die formalen und materiellen Voraussetzungen für ein faires Verfahren in diesem Fall erfüllt wurden. Die Entscheidung zeigt zudem die enge Verzahnung von nationalem Strafrecht und den internationalen Garantien der EMRK.
Diese Konklusion bestätigt die Bedeutung einer strengen Auslegung der EMRK-Vorgaben in der deutschen Rechtsprechung, ohne die praktische Handhabbarkeit von Strafverfahren zu beeinträchtigen.