Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 23. Oktober 2024 (Az. 5 StR 382/23) eine Entscheidung getroffen, die sich mit einem großangelegten Fall des Abrechnungsbetrugs befasst. Die Revisionsinstanz betraf zwei Angeklagte, die sich in Hunderten von Fällen der betrügerischen Abrechnung schuldig gemacht hatten. Neben den Strafurteilen der Vorinstanz spielte insbesondere die Einziehung von Taterträgen eine Rolle. Das Urteil des BGH hebt zentrale Aspekte des materiellen und prozessualen Strafrechts hervor und hat eine hohe praktische Relevanz für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität.
Sachverhalt
Die beiden Angeklagten, ein Ehepaar, wurden vom Landgericht Dresden für schuldig befunden, durch manipulierte Abrechnungen in großem Umfang betrügerische Einnahmen erzielt zu haben. Während der Hauptangeklagte (L.) wegen Betrugs in 429 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt wurde, erhielt seine Ehefrau (C. L.) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für 408 Betrugsfälle.
Das Landgericht ordnete darüber hinaus die Einziehung des Wertes der erlangten Taterträge an, insgesamt 243.894,83 Euro. Diese Summe wurde gesamtschuldnerisch auf die beiden Verurteilten und eine dritte Einziehungsbeteiligte verteilt.
Die Verurteilungen und die Einziehung wurden mit Revisionen der Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft angegriffen. Während die Angeklagten sich gegen ihre Schuldsprüche, Strafhöhen und die Einziehung wehrten, bemängelte die Staatsanwaltschaft insbesondere die Bemessung des eingezogenen Betrags.
Rechtliche Analyse
1. Schuldspruch und Tateinheit
Der BGH modifizierte den Schuldspruch für den Hauptangeklagten dahingehend, dass er in 408 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des Betrugs für schuldig befunden wurde. Diese Änderung war prozessual relevant, da sie die Anzahl der Einzelfälle und damit die konkrete Strafzumessung beeinflusste. Grundsätzlich bleibt es jedoch dabei, dass sich der Angeklagte in Hunderten von Fällen der Täuschung und Schädigung schuldig gemacht hat.
2. Strafausspruch
Das Gericht hob die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen teilweise auf. Die für die ersten 21 Fälle verhängten Einzelstrafen blieben unangetastet, jedoch wurde die Gesamtstrafe neu zu bemessen sein. Das deutet darauf hin, dass das Landgericht möglicherweise nicht alle Strafzumessungserwägungen hinreichend begründet oder fehlerhaft zusammengerechnet hat.
3. Einziehung der Taterträge
Besonders umstritten war die Einziehung der durch den Betrug erlangten Gelder. Der BGH hob die Einziehungsentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist ein wesentliches Instrument der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (§ 73 StGB). Allerdings müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Täter und die konkrete Berechnung des einzuziehenden Betrags transparent und rechtsfehlerfrei erfolgen. Hier sah der BGH offenbar Klärungsbedarf.
4. Verfahrensrechtliche Aspekte
Die Revisionen der Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten hatten teilweise Erfolg, insbesondere hinsichtlich der Strafhöhe und der Einziehung. Die Entscheidung verdeutlicht, dass selbst bei eindeutiger Sachlage prozessuale Mängel in der Urteilsfindung dazu führen können, dass ein Verfahren zurückverwiesen wird. Dies betont die hohen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Urteilsbegründung und zeigt, dass selbst wirtschaftsstrafrechtliche Verfahren mit einer Vielzahl von Einzelfällen sorgfältig dokumentiert und begründet werden müssen.
Fazit
Das Urteil des BGH in der Sache 5 StR 382/23 zeigt eindrücklich, wie komplex Wirtschaftsstrafverfahren sind. Neben der materiellen Strafbarkeit spielen Fragen der Verfahrensgerechtigkeit und der Vermögensabschöpfung eine entscheidende Rolle. Besonders die Einziehung von Taterträgen bleibt ein sensibler Punkt, der sorgfältig juristisch geprüft werden muss.
Die Zurückverweisung an das Landgericht Dresden bedeutet, dass sich die Angeklagten auf eine erneute Verhandlung zu einzelnen Aspekten ihrer Strafe und der Vermögensabschöpfung einstellen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie die Vorinstanz mit den Vorgaben des BGH umgehen wird und ob sich für die Angeklagten letztlich eine mildere Strafe ergibt. Klar ist jedoch, dass der BGH mit seinem Urteil die Maßstäbe für die Aufarbeitung von Abrechnungsbetrug weiter geschärft hat.
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