Beim Stöbern in der Rechtsprechung habe ich ein echtes Kuriosum mit erheblichem Praxisbezug entdeckt: Eine Entscheidung zur Frage des Eigentums nach einem Computerbetrug. Den Sachverhalt kann man in aller Kürze so zusammenfassen, dass jemand bei einer Personenkontrolle am Bahnhof mit Reisetaschen aufgegriffen wird, in denen sich sage und schreibe 14 originalverpackte iPads befinden (später kommt es samt Hausdurchsuchung auf sechzehn Apple iPads und vier Mobiltelefone der Marken Apple iPhone und Samsung Galaxy). An der Stelle möchte ich es so zusammenfassen, dass die Gesamtumstände durchaus verdächtig waren: Zuerst wurde auf die Frage was er dabei hat gelogen, es gab widersprüchliche Angaben zum Erwerb der Hardware die letztlich nicht verifiziert werden konnten und er war auch noch gut vorbestraft. Letztlich wurde das Ermittlungsverfahren (wegen Hehlerei) mangels Tatverdacht eingestellt, weil die Umstände nicht aufzuklären waren.
Jetzt kommt der an dieser Stelle wichtige Teil: Die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Hardware hätte man an den Betroffenen wieder aushändigen müssen. Das fand die Polizei nicht gut und ordnete per Bescheid die Sicherstellung und Überführung der Gegenstände in ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis sowie gleichzeitig ein gesetzliches Veräußerungsverbot an. Kurzum: Die Polizei wollte die Hardware behalten. Dagegen wehrte sich der Betroffene erfolgreich, wobei der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten war, weswegen das Verwaltungsgericht München (7 K 13.3043) sich damit zu beschäftigen hatte.
Das Gericht führt aus, dass im Fall des Computerbetrugs – anders als bei Hehlerei oder Unterschlagung – ein Eigentumsübergang stattfindet, so dass die Vermutung des §1006 BGB zu Gunsten des Besitzers streitet. So findet sich in §1006 Abs.1 BGB dieser Satz
Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei.
Dies gilt ausweislich des Gesetzestextes nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist. Doch davon ist im Fall des Computerbetruges nicht auszugehen:
Was die iPads anlangt, sind sie den nachträglichen Ermittlungsergebnissen zufolge der Lieferfirma … GmbH nicht durch Diebstahl oder Unterschlagung im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen, sondern aufgrund eines Computerbetrugs gem. § 263 a StGB freiwillig ausgeliefert worden. Da eine durch Betrug erwirkte Übergabe einer Sache den Eigentumsübergang in der Regel nicht ausschließt, ist die für den Kläger sprechende Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht hinreichend erschüttert. Die Ausnahmeregelung des § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Vermutung nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen ist, gilt, greift nicht. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger aufgrund der Umstände beim Erwerb der vierzehn iPads insoweit als bösgläubig im Sinne von § 932 BGB anzusehen wäre und ggf. mit bedingtem Vorsatz (dazu BGH, B. v. 13. November 2012 – 3 StR 364/12 – juris Rn. 5) hinsichtlich einer – ihm jedoch nicht nachgewiesenen – Hehlerei gehandelt hätte.
Das Ergebnis ist beachtlich, schon alleine dahingehend, dass die Polizei damit leben muss, ihm die vermeintlich inkriminierten Gegenstände mit erheblichem Wert wieder auszuhändigen. Weiter gedacht bedeutet es aber auch für tatsächlich Geschädigte, dass die Sicherung von Gütern bei Einstellung des Verfahrens „auf dem kurzen Weg“ auch nicht möglich ist.
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