Diebstahl einer EC-Karte

Nicht wirklich IT-Strafrecht aber durchaus interessant ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (III-3 RVs 103/10), das sich im Jahr 2011 mit dem einer EC-Karte befasst hatte. Die Karte befand sich im Abfalleimer einer Bank und wurde von jemandem, der dort reinigte, an sich genommen. Da die PIN sich bei der EC-Karte befunden hatte konnte dann Geld abgehoben werden. Durchaus diskussionswürdig war die Frage, ob ein Diebstahl der EC-Karte vorlag.

Eigentumsaufgabe durch Wegwerfen?

Die Frage ist ebenso alt, wie berechtigt und letztlich auch geklärt: Liegt im Wegwerfen eines Gegenstandes – hier der EC-Karte – eine Eigentumsaufgabe, so dass ein Diebstahl letztlich gar nicht möglich ist? Dies verneint das OLG treffend:

Das Ablegen der EC-Karte nebst PIN in einen Abfallbehälter zum Zwecke der späteren Leerung und Müllentsorgung stellt keine Dereliktion im Sinne des § 959 BGB dar. Die Dereliktion ist eine einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, weshalb es für die Auslegung auf den tatsächlichen Willen des Eigentümers ankommt (Fischer, a.a.O., Rdnr. 6 u. 7 zu § 242; Schönke/Schröder, a.a.O., Rdnr. 17 zu § 242). Verfolgt der Eigentümer etwa bestimmte Verwendungszwecke mit einer Sache, liegt keine Dereliktion vor ( MK-Oechsler, BGB, 5. Aufl. 2009, Rn. 4 zu § 959 BGB). So ist in der Rechtsprechung für an der Straße abgestelltes Sammelgut, das für eine Sammelorganisation bestimmt war, die Dereliktionsabsicht verneint worden (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 1987, 500; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.1992, Justizmitteilungsblatt NRW 1992, 191 – 192). Ebenso schließt Vernichtungsabsicht bei der Hingabe in den Müll die Dereliktionsabsicht aus (vgl. Staudinger-Gursky, a.a.O., Rn. 3 zu § 959 BGB m.w.N.).

Der Wille des Eigentümers (E Bank) kann nach Auffassung des Senats lebensnah nur so ausgelegt werden, dass vor dem Hintergrund der Tatsache, dass persönliche Daten auf EC-Karten gespeichert sind, durch die der Zugang zu Konten eröffnet wird, die Eigentumsaufgabe nur mit der Annahme durch den zuständigen Abfallentsorger zur Vernichtung erfolgen sollte (ebenso LG Magdeburg, Urteil v. 08.11.2006 – 9 O 584/06 (iuris)).

Gewahrsam der Bank an Dingen im Mülleimer

Auch das ist nicht neu, aber man ist durchaus überrascht, dazu etwas nach dem Studium noch zu lesen:

Die EC-Karte befand sich auch noch in Gewahrsam der E Bank als Eigentümerin. Diese übt als juristische Person die tatsächliche Sachherrschaft durch die für sie tätigen Mitarbeiter aus. Nach den Urteilsfeststellungen befand sich die Karte in einem in den Geschäftsräumen der Bank aufgestellten Abfalleimer und damit noch im Herrschaftsbereich der Bank. Für die Ausübung der Sachherrschaft ist es ausreichend, dass sich der Beherrschungswille auf die Gesamtheit der in den Geschäftsräumen befindlichen und der Bank gehörenden Gegenstände bezieht, ein ständiges Bewusstsein der Sachherrschaft an einzelnen Gegenständen aus der Sachgesamtheit ist nicht erforderlich (vgl. Fischer, a.a.O., Rdnr. 17 zu § 242 StGB m. w. N.; Schönke/Schröder, a.a.O., Rdnr. 26 zu § 242; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 zur Warenentwendung im Selbstbedienungsladen). Diesen Gewahrsam hat der Angeklagte gebrochen und neuen, eigenen Gewahrsam begründet, als er die EC-Karte dem Papierkorb entnahm und einsteckte.

Der generelle Gewahrsamswille spielt in der Praxis eher selten eine Rolle, allenfalls bei verlorenen Gegenständen etwa im Kino kommt hier eine Praxistaugliche Relevanz hinzu – und halt beim stehlen aus Mülleimern.

Geringfügiger Wert bei EC-Karten?

Ebenfalls spannend und gar nicht so abschliessend geklärt ist die Frage des Wertes einer EC-Karte, der sich hinsichtlich des Materialwertes ja eher in Grenzen hält. Das OLG postiert sich hier zwischen den existierenden Meinungen mit einer durchaus nahe liegenden Argumentation:

Entgegen der Revision war für die Verfolgung der Tat als Diebstahl ein nicht erforderlich. Eine EC-Karte ist nicht geringwertig im Sinne von § 248a StGB. Bei der Beurteilung der Geringwertigkeit einer Sache kommt es nicht auf den Substanzwert, der bei der EC-Karte sehr niedrig ist, sondern auf den Verkehrswert der Sache zur Tatzeit an (vgl. Fischer, StGB, a.a.O., Rdnr. 4 zu § 248a; BGH NStZ 1981, 62; Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 248a m. w. N.). Der objektive Verkehrswert einer EC-Karte bzw. Code-Karte ist zwar aber nicht messbar (Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 248a m. w. N.; Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 248a m. w. N). Deshalb wird zum Teil angenommen, dass bereits aus diesem Grunde § 248a StGB auf den Diebstahl von EC-Karten, Scheckkarten oder Codekarten nicht anwendbar sei (so BGH 4 StR 224/87 v. 25.08.87, zit. bei LK-Ruß, StGB, 11.A., Rdnr.4 zu § 248a StGB). Anderer Ansicht nach (BayObLG NJW 1979, 2218; Fischer, StGB, a.a.O., Rdnr. 4 zu § 248 a m.w.N., a.A. nur Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 248a m. w. N.) soll die Geringfügigkeit aufgrund des funktionellen Wertes der Karte für den Angeklagten infolge der eröffneten Möglichkeit der Geldabhebung mittels der (hier gleichfalls erlangten) PIN entfallen. Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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