Unfallflucht bei Trunkenheitsfahrt – Tatmehrheit?

Wenn man während einer einen Verkehrsunfall verursacht und dann davon fährt – liegen Trunkenheitsfahrt und in Tateinheit oder Tatmehrheit vor? Tatsächlich muss man die Rechtsprechung hierzu sicher beherrschen, wenn man nicht reflexartig die falsche Antwort geben möchte.

Die obergerichtliche Rechtsprechung erst einmal davon aus, dass die Dauerstraftat des § 316 StGB jedenfalls dann beendet ist, wenn der Fahrer nach einem Unfall die Unfallstelle unter den Voraussetzungen der Unfallflucht des § 142 StGB verlässt (grundlegend: BGH, 4 StR 461/66 und Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 565/08). Häufig wird in Urteilen dann davon gesprochen, dass der Verkehrsunfall eine „Zäsur“ darstellt – was auch durchaus korrekt ist. Wenn man aber glaubt, die Zäsur als solche sei Grundlage der Annahme mehrerer Taten geht man einen Irrweg.

Denn begründet wird die Annahme einer Tatmehrheit damit, dass der derjenige, der nach einem Verkehrsunfall entgegen der sich aus § 142 StGB ergebenden gesetzlichen Verpflichtung trotzdem weiterfährt, nun einen neuen Fahrentschluss fasst. Die vor diesem Entschluss liegende Dauerstraftat sei damit – anders, als wenn jemand aus Verkehrsgründen oder freiwillig, d.h. ohne dass dies rechtlich geboten wäre, anhält, – beendet. Es bestehen dann also zwei selbständige Vergehen der Trunkenheitsfahrt bzw. einer Unfallflucht zusätzlich nebeneinander. Der fasst es so zusammen:

Die Dauerdelikte des § 21 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 6 Abs. 1 PflVG umfassen die gesamte von vornherein auch über eine längere Wegstrecke geplante Fahrt bis zu deren endgültigem Abschluss, ohne dass kurzzeitige Fahrtunterbrechungen zu einer Aufspaltung der einheitlichen Tat führen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. November 2003 – 4 StR 438/03, VRS 106, 214; vom 22. Juli 2009 – 5 StR 268/09, DAR 2010, 273; Urteil vom 30. September 2010 – 3 StR 294/10, NStZ 2011, 212; Beschluss vom 9. März 2016 – 4 StR 60/16, StraFo 2016, 262). Etwas anderes gilt nur, wenn die Fortsetzung der Fahrt auf einem neu gefassten Willensentschluss des Täters beruht (…).

Dementsprechend beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine neue Dauerstraftat, wenn der Täter nach einem Unfallgeschehen weiterfährt, weil er den Entschluss gefasst hat, sich der Feststellung seiner Unfallbeteiligung durch Flucht zu entziehen (…) Dass der Angeklagte nach dem Halt zum Austausch der Personalien mit der Unfallgegnerin nicht seine ursprünglich geplante Fahrt fortsetzte, sondern einen neuen Tatentschluss fasste, hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Annahme von zwei materiell-rechtlich selbständigen Taten ist daher nicht belegt.

BGH, 4 StR 149/18

Darum: Einfach nur „Zäsur“ rufen genügt nicht. Zwar liegt bei Fahrtunterbrechungen mit äusserem Anlass wie einem Verkehrsunfall oder einer Alkoholkontrolle eine regelmässige Zäsur vor; diese aber ist mit der Annahme eines neu bzw. erneut gefassten Tatentschlusses zu untermauern.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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