Strafbarkeit wegen öffentlichen Zugänglichmachens urheberrechtlich geschützter Werke – §106 UrhG

Strafbare Urheberrechtsverletzung: In einer kaum beachteten Entscheidung hat sich das , 1 RVs 281/16, zur Strafbarkeit wegen öffentlichen Zugänglichmachens urheberrechtlich geschützter Werke entsprechend §106 UrhG geäußert.

Dazu auch bei uns: Die Urheberrechtsverletzung

Täterschaft oder Gehilfenstellung bei Linksammlungen

Es ging um einen besonders relevanten Fall: Jemand hatte über eine von ihm betriebene Seite Torrent-Dateien in Linksammlungen verlinkt. Hier ging es um den Klassiker, er betrieb ein Forum, in dem Nutzer Links melden konnten, Fehler melden konnten und Admins/Mods eigenständig „Verwaltungsaufgaben“ wahrnahmen.

Wissen muss man, dass im strafrechtlichen Sinne des §106 UrhG ein urheberrechtlich geschütztes Werk zugänglich macht, wer einem Dritten Zugriff auf das sich in seiner Zugriffssphäre befindende Werk eröffnet – dies unabhängig davon, ob dieser die ihm gebotene Möglichkeit tatsächlich auch ergreift. Nun befanden sich weder die im Ergebnis beworbenen Dateien (hier vorwiegend Filme) in der Sphäre des Angeklagten, noch hat er auf diese verlinkt – vielmehr verlinkte er lediglich die Torrentdateien, mit denen dann am Ende über eine Software (Torrent-Client) der Zugriff auf die letztendlich gewünschten Inhalte ermöglicht wird.

Nun ist es durchaus naheliegend, diese Situation mit einer schlichten Linksammlung zu vergleichen, bei welcher im urheberrechtlichen Sinne gerade kein Zugänglichmachen vorliegen könnte – dies aber weist das OLG Köln ausdrücklich zurück:

Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme folgt nämlich auch im den allgemeinen Regeln (…). Deren Anwendung ergibt hier, dass der Angeklagte mittäterschaftlich (mit den jeweiligen Nutzern der Seite …) gehandelt hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Mittäter, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den von seiner Vorstellung umfassten gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, sodass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (…).

Hiervon ausgehend ist zunächst zu konstatieren, dass der Angeklagte ein massives Interesse am Taterfolg hatte: Je mehr Personen die von ihm betriebene Seite besuchten, auf dieser … einstellten oder herunterluden, um so größer war seine Chance, dass die Besucher auch die von ihm designten Werbeseiten aufsuchten und auf diese Weise sein Webmasterguthaben vergrößerten (…) Ob (…) ein Link gesetzt wird oder ob der Nutzer eine Datei erhält, die den Nachweis darüber führt, wo das Werk zu beziehen ist und dann – über den Tracker – die Verbindung zu dem Rechner (bzw. den Rechnern) herstellt, auf dem (denen) sich die Datei befindet: In beiden Fällen wird technisch ein Zugang zu der das Filmwerk enthaltenden Datei hergestellt, den der Nutzer ohne entsprechende technische Vorrichtungen nicht hätte. Das von dem Angeklagten gestaltete P2P-Netzwerk stellt sich daher als „nahezu unentbehrliches Hilfsmittel“ dar, „um mit geringem Aufwand einen bestimmten Film auch zu finden“ (so für P2P-Netzwerke allgemein: Nordemann-Ruttke/Scharringhausen,a.a.O., § 106 Rz. 41).

Der Tatbeitrag des Angeklagten stellt sich nach alledem als wesentlich dar. Er beruhte auf – konkludent im Augenblick der Nutzung des Portals gefasstem –gemeinsamem Tatplan (…). Dass der Angeklagte – mutmaßlich – die Nutzer von U3.to ebenso wenig kannte, wie diesen umgekehrt die Person des Angeklagten bekannt gewesen sein muss, spielt schließlich für die mittäterschaftliche Zurechnung keine Rolle (…).

Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 281/16

Die Ausführungen des OLG sind nochmals deutlich umfangreicher, juristisch durchaus nachvollziehbar – gehen für mich aber an der Sache insoweit vorbei, als man es deutlich kürzer fassen kann: Mit dem EUGH liegt bei kommerzieller Verlinkung von fremden Urheberrechten verletzenden Dateien ein (vermutet) in voller Kenntnis betriebenes öffentliches Wiedergeben vor.

Wenn wie vorliegend durch eine Sammlung von ansonsten so nicht katalogisiert verfügbaren Torrent-Dateien das Interesse von Nutzern geweckt wird um Werbeeinnahmen zu erzielen ist man zum einen in einem kommerziellen Umfeld tätig; zum anderen stellt er in Form des Forums samt Domain die Infrastruktur zur Verfügung und hat unmittelbare Möglichkeiten, auf die Inhalte zuzugreifen. Neben den Inhalten kann er dabei die Moderatoren verwalten, also unmittelbar Einfluss darauf nehmen, wer in welchem Umfang tätig werden kann und wer nicht. Im Hinblick auf eigene Werbeeinnahmen ist dann wieder mit dem OLG Köln vollkommen zu Recht Erin erhebliches Tatinteresse festzustellen, durch den Betrieb der Infrastruktur ebenso ein ganz herausragender Bereich der Tatherrschaft. Dass der Rest autonom lief kann hinten anstehen – vollkommen zu Recht verweist das OLG darauf, dass hier dann eben ein arbeitsteiliges mittäterschaftliches Handeln im Raum steht.

Im Ergebnis bin ich bei der Frage der Täterschaft beim OLG Köln, dies wird von Betroffenen auch gerne falsch eingeschätzt – wobei die Frage der Gehilfenstellung eine rein dogmatische ist, hieran hängt ein erheblicher Strafnachlass. Gleichwohl ist es m.E. in den mir bekannten Regelfällen der massenhaft betriebenen Urheberrechtsverletzungen eben bestenfalls ein Strohhalm, wenn man wegen gut delegierter Arbeit glaubt, selber nur als Gehilfe davon zu kommen.

Öffentliches Zugänglichmachen

Das OLG Köln führt aus, wann ein „öffentliches“ Zugänglichmachen vorliegen wird – ich erinnere insoweit an oben benannte EUGH-Entscheidung:

Nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 3 UrhG ist die Wiedergabe öffentlich, wenn sie – wie hier – für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört dabei jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Entgegen der mit der Revisionsbegründung geäußerten Rechtsauffassung bedarf es auch nicht der Bereitstellung des geschützten Werks an eine Vielzahl von gleichzeitigen Nutzer. Erfasst wird vielmehr auf die so genannte „sukzessive“ Öffentlichkeit, das bedeutet einen zeitversetzten Zugriff auf das urheberrechtlich geschützte Werk (BeckOK-Kroitzsch/Götting, § 15 UrhG Rz. 26; MüKo-StGB-Heinrich a.a.O. § 106 UrhG Rz. 72). Ein vorheriges urheberrechtswidriges Vervielfältigen – wie im Falle L.to durch Hochladen der Datei auf einen Server (vgl. BGH B. v. 11.01.2017 – 5 StR 164/16 Tz. 12) – ist hierfür nicht erforderlich. U3.to konnte vielmehr auch den – nach dem zuvor Dargestellten: urheberrechtswidrigen – Zugang etwa zu zuvor legal kopierten Filmwerken eröffnen (vgl. a. MüKo-StGB-Heinrich, a.a.O., § 106 UrhG Rz. 98).

Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 281/16

Kein Strafantrag bei gewerbsmässiger Urheberrechtsverletzung nötig

§ 109 UrhG verweist für das Antragserfordernis nur auf §§ 106 bis 108 und 108b UrhG, nicht jedoch auf § 108a UrhG, der die gewerbsmäßige Tatbegehung unter Strafe stellt. Diese ist daher von dem Antragserfordernis ausgenommen. (Beck-OK-Sternberg-Lieben, § 109 UrhG Rz. 1, 2). Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (allgemein Fischer, a.a.O., Vor § 52 Rz. 61). Gewerbsmäßiger Tatbegehung ist hier anzunehmen: Nach den getroffenen Feststellungen wurden dem Angeklagten allein zwischen Mai 2006 und März 2007 aus Aufrufen der auf der Seite „U3.to“ geschalteten Werbung 94.792,– € an Webmasterguthaben gutgeschrieben. Die Einnahmen müssen nicht unmittelbar aus der Tatbegehung herrühren, eine mittelbare Gewinnerzielung – wie hier diejenige aus Werbeeinnahmen – genügt (BGH NJW 2004, 1674 [1679]; BGH wistra 1999, 465; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, a.a.O., § 108a UrhG Rz. 4).

Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 281/16

Umfangreiche Feststellungen sind notwendig

Immer wieder unterschätzen Gerichte allerdings, in welchem Umfang Feststellungen zur den verletzten Urheberrechten im Bereich der strafbaren Urheberrechtsverletzung zu treffen sind – hier lauert eine gehörige Portion Arbeit, selbst wenn dies auf den ersten Blick übertrieben oder nach Förmelei aussieht:

Die Strafbarkeit gemäß § 106 Abs. 1 UrhG ist zivilrechtsakzessorisch. Der Bestand eines Schutzrechts, sein Inhalt und Umfang sowie die Inhaberschaft richten sich nach dem Recht desjenigen Staates, für dessen Territorium es Wirkung entfalten soll (Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, S. 218 m. N.; Hilgendorf/Valerius a.a.O. Rz. 688). Zu den beeinträchtigten Schutzrechten bedarf es konkreter Feststellungen im Urteil (vgl. BGH NJW 2004, 1674 [1675]; LG Leipzig ZUM 2013, 338 – zitiert nach Juris Tz. 8, 76 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht OLG Köln GRUR 2014, 1081 – „Goldesel“ – zitiert nach Juris, insbes. Tz. 901).

Auch wenn die Annahme der Kammer, die angebotenen Filmwerke hätten in Deutschland Urheberrechtsschutz genossen, ein hohes Maß an Plausibilität aufweist, vermag sie doch die erforderlichen konkreten Feststellungen nicht zu ersetzen. Die Kammer benennt lediglich zwei Filmwerke („Harry Potter“ und „King Kong“), bei welchen zudem der genaue Titel offenbleibt (unter den genannten Titeln existieren jeweils mehrere Filmwerke) und führt aus, es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben dass diese nicht (!) deutschem Urheberrechtsschutz unterfielen (UA 16). Der diesbezüglichen Feststellungen bedarf es nicht zuletzt auch für die Bestimmung des Schuldumfangs als Grundlage der Rechtsfolgenbemessung, weil die Kammer selbst davon ausgeht, dass möglicherweise nicht alle auf U3.to eingestellten Filmwerke deutschem Urheberrecht unterlagen (UA 12: „jedenfalls teilweise“, UA 16). Soweit die Kammer sich in diesem Zusammenhang auf das Gutachten eines Sachverständigen bezieht, teilt sie dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen nicht in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise mit (dazu vgl. SenE v. 20.01.2017 – III-1 RVs 310/16 -)

Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 281/16

Die Sache wurde aufgehoben und für diese Feststellungen zurück verwiesen – ein Pyrrhussieg, der zwar überall mehr Arbeit und zumindest teilweise mehr Kosten verursacht, aber eher wenig am Strafmaß verändern dürfte.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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