In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das Landgericht (LG) Lübeck (Az.: 6 KLs 12/12) am 11. Januar 2024 die Frist zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung verlängert. Dies wurde notwendig, da der Verurteilte sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aufhält, einem Land ohne Auslieferungsabkommen mit Deutschland. Diese Entscheidung zeigt die Herausforderungen und möglichen Entwicklungen im Bereich der internationalen Strafverfolgung, insbesondere bei Wirtschaftsdelikten.
Sachverhalt
Der Verurteilte wurde im Jahr 2013 wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Strafe wurde rechtskräftig im Januar 2014. Nach Verweigerung des Strafantritts floh der Verurteilte in die VAE, wo er sich seitdem aufhält. Ein Auslieferungsersuchen der deutschen Behörden blieb aufgrund der fehlenden strafrechtlichen Relevanz der Steuerhinterziehung in den VAE erfolglos.
Rechtliche Analyse
Verlängerung der Vollstreckungsverjährungsfrist
Das LG Lübeck hat die Vollstreckungsverjährungsfrist gemäß § 79b StGB um fünf Jahre verlängert. Diese Verlängerung ist zulässig, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem eine Auslieferung nicht erreicht werden kann. Da die VAE bis vor kurzem keine Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgten und kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland besteht, war eine Verlängerung der Frist gerechtfertigt.
Bemühungen der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft Lübeck hatte mehrfach versucht, eine Auslieferung des Verurteilten zu erreichen. Trotz internationaler Fahndung und direkter Ersuchen an die emiratischen Behörden war dies bis dato erfolglos. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Fristverlängerung, um weiterhin die Möglichkeit zu haben, den Verurteilten zur Rechenschaft zu ziehen.
Neue Entwicklungen in den VAE
Mit der Einführung von Steuern in den VAE und der damit verbundenen Strafbarkeit von Steuerhinterziehung könnten sich die Chancen auf eine erfolgreiche Auslieferung erhöhen. Dies wurde vom Gericht als wesentlicher Faktor für die Fristverlängerung berücksichtigt.
Fazit und Auswirkungen
Die Entscheidung des LG Lübeck verdeutlicht die Herausforderungen bei der internationalen Strafverfolgung, insbesondere wenn kein Auslieferungsabkommen besteht. Für die Zukunft könnten Fälle wie dieser häufiger auftreten, insbesondere da die VAE und andere Länder ihre Gesetzgebung in Bezug auf Wirtschaftskriminalität an internationale Standards anpassen.
Für Unternehmen wie Strafverteidiger in Deutschland bedeutet dies, dass sie sich verstärkt mit den internationalen Aspekten der Strafverfolgung auseinandersetzen müssen. Die Frage, wie effektiv Auslieferungen und internationale Kooperationen in Wirtschaftsstrafverfahren umgesetzt werden können, wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Dabei sollte nicht sofort Panik vorherrschen, die Auslieferung aus VAE nach Deutschland ist ein Dauerbrenner, in den hiesigen Mandaten ist bisher keine echte Aktion festzustellen. Es gilt der bewährte Ratschlag: Panik ist der schlechteste Ratgeber.
Die Entscheidung unterstreicht auch die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung und Durchführung von internationalen Strafverfolgungsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass Täter nicht ungestraft bleiben, selbst wenn sie in Länder ohne Auslieferungsabkommen fliehen.
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