Rechtswidriger Gebrauch eines Fotos: Wiederholungsgefahr entfällt nicht durch Löschung des Bildes

Das Landgericht Köln, 14 O 297/22, hat noch einmal betont, dass allein der Umstand, dass der Abgemahnte die beanstandeten Fotografien von seiner Website entfernt hat, einer Wiederholungsgefahr und damit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entgegensteht.

Zwar wird die Dringlichkeit im Urheberrecht und im allgemeinen Deliktsrecht – anders als im Lauterkeitsrecht nach § 12 Abs. 1 UWG – nicht vermutet. Wer eine begehrt, muss vielmehr darlegen und ggf. glaubhaft machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist. Bei einer fortdauernden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit allerdings auch ohne die Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Sachlage ergeben. Die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungssituation kann zwar dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur noch das Hauptsacheverfahren verbleibt. Dies ist jedoch auf Ausnahmesituationen beschränkt.

Im vorliegenden Fall führte der Umstand, dass die konkreten Fotografien nicht mehr abrufbar waren, nicht zum Wegfall des Verfügungsgrundes. Die Frage, ob ein Anordnungsgrund zu verneinen ist, wenn das beanstandete Verhalten zwischenzeitlich eingestellt wurde, ist stets anhand des Einzelfalls zu prüfen und kann nicht pauschal beantwortet werden. Dies führte das Gericht weiter aus:

Die Beurteilung der Frage, ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, erfolgt daher im Rahmen einer einzelfallorientierten Interessenabwägung. Häufig ist ein wirksamer Schutz der Urheberrechte des Rechtsinhabers nur durch ein kurzfristiges Unterlassungsgebot zu erreichen. Dasselbe gilt auch für die hier auf Eigentum gestützten Ansprüche, das ebenfalls ein Ausschließlichkeitsrecht darstellt. Aus diesem Grund ist ein Eilbedürfnis regelmäßig anzunehmen, wenn weitere Verletzungshandlungen drohen (vgl. Kefferpütz in Wandtke/Bullinger aaO, Vor §§ 97 ff. Rn. 79). Allerdings muss die Prüfung der Notwendigkeit der einstweiligen Verfügung auch berücksichtigen, ob wesentliche Nachteile drohen und die einstweilige Verfügung notwendig ist. In diesem Rahmen sind die sich gegenüberstehenden Belange der Parteien zu berücksichtigen (vgl. Wimmers in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 97 Rn. 341a; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 97 Rn. 200). Dass eine einstweilige Verfügung erforderlich ist, ist vom Antragsteller darzulegen und erforderlichenfalls glaubhaft zu machen (vgl. Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO, § 97 Rn. 341a; Fromm/Nordemann aaO, § 97 Rn. 199; zitiert nach OLG Köln, Beschluss vom 26.01.2023 – 6 W 1/23; Urteil vom 21.10.2022 – 6 U 61/22).152

Für die Beantwortung der Frage, welche Anforderungen in einem solchen Fall an die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast des Antragstellers in Bezug auf das (weitere) Vorliegen einer Eilbedürftigkeit zu stellen sind, ist ferner zu berücksichtigen, dass sich der Verfügungsgrund aus objektiven Umständen ergeben muss. Ob einem Antragsteller das Verfügungsverfahren offensteht, muss deshalb auch für ihn auf der Grundlage objektiver Anhaltspunkte beurteilbar sein. Denn naturgemäß kennt er die Gedanken und Absichten seines Gegners nicht. Auch will er sich zu Recht nicht der Gefahr ausgesetzt sehen, nach der Verletzungshandlung keinen Eilrechtsschutz in Anspruch genommen zu haben, um sich dann bei einer etwaigen Wiederaufnahme der Verletzungshandlung mit dem Vorwurf konfrontiert zu sehen, er sei nicht frühzeitig gegen die Verletzung vorgegangen. Wie auch hier, steht es regelmäßig im Belieben des Antragsgegners, ob er die zunächst eingestellte Verletzungshandlung wieder aufnimmt. Denn faktisch möglich ist ihm das regelmäßig jederzeit. Weiteren Vortrags der Antragstellerin zur Eilbedürftigkeit bedarf es in einem solchen Fall deshalb zunächst nicht, solange nicht objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine eingestellte Verletzungshandlung in naher Zukunft nicht wieder aufgenommen wird.153

Die Verfügungsbeklagte hat vorliegend auf die vorgerichtliche mit einer Fristverlängerungsbitte reagiert und keine abgegeben. Dabei führt die bloße materiell-rechtlich indizierte Wiederholungsgefahr nicht automatisch zur Annahme der Dringlichkeit (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21.10.2022 – 6 U 61/22; Beschluss vom 26.01.2023 – 6 W 1/23). Jedoch ergibt sich aus dem anwaltlichen Schreiben vom 07.10.2022 keine zweifelsfreie Unterwerfung der Verfügungsbeklagten, die der Verfügungsklägerin hinreichende Sicherheit geben könnte, dass nicht mit einer Wiederaufnahme der Angebote im Laufe der Zeit bis zur Erlangung einer Hauptsacheentscheidung zu rechnen wäre. So schreibt der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 12) eingangs, dass die „Abmahnung und die dort erhobenen Vorwürfe zu der Vielzahl beanstandeter Abbildungen eine Reihe von Fragen aufwerfen“. Der Schriftsatz schließt mit der Formulierung: „Bis zum Abschluss unserer Recherchen hat unsere Mandantin entgegenkommend und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage die monierten fotografischen Abbildungen aus ihrem Angebot entfernt.“ Aus dieser Äußerung lässt sich aus Sicht der Verfügungsklägerin mit guten Gründen befürchten, dass die Verfügungsbeklagte nach Abschluss ihrer Recherchen und rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis kommen könnte, die angegriffenen Handlungsweisen seien rechtmäßig und folglich die Nutzung auf ihrer Webseite wieder aufnehmen. Dies wird noch unterstrichen durch die Wendungen „entgegenkommend“ und „ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“. Dieser Eindruck wird noch durch die Länge der erbetenen Fristverlängerung von zwei Wochen bestärkt, denn wenn die Verfügungsbeklagte erst nach einer erheblichen Dauer ihre Recherchen abschließt und dann meint, zur Nutzung berechtigt zu sein, wäre der Verfügungsklägerin der Weg in den Eilrechtsschutz versperrt gewesen. Insoweit liegt der hiesige Fall bereits erheblich anders als in der von der Verfügungsbeklagten vorgebrachten Entscheidung des OLG Köln in Sachen „Trainer-“ (ZUM-RD 2021, 431). Vorliegend ist es gerade nicht nur das Vorliegen der Widerholungsgefahr des materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, der für eine Dringlichkeit spricht.154

Wenn somit – wie vorliegend – aus der bloßen Einstellung der Verletzungshandlung für die Verfügungsklägerin nicht sicher beurteilbar ist, dass bis zum nächstmöglichen Verstoß aller Voraussicht nach eine Hauptsacheentscheidung herbeigeführt werden kann, und wenn die O. des in Rede stehenden Verstoßes eine zeitnahe Wiederholung als wahrscheinlich erscheinen lässt, dann entfällt ein Verfügungsgrund regelmäßig nur dann, wenn der Verfügungsbeklagte neben der Einstellung der Verletzungshandlung eine unter der rückwirkend auflösenden Bedingung einer für ihn positiven Entscheidung in der Hauptsache stehende, vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abgibt (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 47128, Rz. 31 – Deckenleuchten [zum Geschmacksmusterrecht]). Dies belastet einen Antragsgegner im Verhältnis zum Antragsteller auch nicht unangemessen. Will er dem Antragsteller die Möglichkeit eines Vorgehens im einstweiligen Verfügungsverfahren nehmen, dann muss er den Antragsteller in eine Lage versetzen, die auch für diesen das Abwarten auf eine Hauptsacheentscheidung zumutbar macht.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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