In dem Verfahren 11 U 60/20 des Oberlandesgerichts Hamm ging es um die Haftung des beklagten Landes für einen im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmten Pkw (hier: Lamborghini), um dessen Eigentum ein vermeintlich Geschädigter und der letzte Gewahrsamsinhaber zivilrechtlich stritten.
Zur Frage, wann eine Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen anzunehmen ist, verweist das OLG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach staatsanwaltschaftliche Handlungen, bei denen dem Entscheidungsträger ein Beurteilungsspielraum zusteht, wie etwa die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, die Erhebung der öffentlichen Klage, die Beantragung eines Haftbefehls oder eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, im Haftprüfungsverfahren nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen sind.
Diese Grundsätze gelten auch für den Richter, der – außerhalb des Richtervorbehalts nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB – über entsprechende Maßnahmen zu entscheiden hat. Der der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht zustehende Beurteilungsspielraum, der sich daraus ergibt, dass Erfahrungssätze zu verwerten und bestimmte tatsächliche Umstände unter Einbeziehung wertender Gesichtspunkte zu würdigen sind, ist dadurch gekennzeichnet, dass es bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand einer Norm häufig keine eindeutige Antwort gibt. Vielmehr kann es mehr als eine richtige Entscheidung geben, so dass verschiedene Betrachter, ohne pflichtwidrig zu handeln, zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können. Die Vertretbarkeit des Handelns darf daher nur dann verneint werden, wenn die Entscheidung bei voller Würdigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege nicht mehr verständlich ist.
Geht es dagegen um Maßnahmen, die keiner unterschiedlichen Beurteilung zugänglich sind, wie etwa die Frage, ob ein Beteiligter ordnungsgemäß geladen wurde oder nicht, so ist nach allgemeinen Grundsätzen entscheidend, ob der Amtsträger pflichtwidrig gehandelt hat und ihm dies vorwerfbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung trägt insoweit der Geschädigte.
Weiter führt das OLG aus, dass bereits der Verstoß gegen § 33 StPO (Pflicht zur Anhörung eines Beteiligten vor der Entscheidung) einen Amtshaftungsanspruch auslöse.
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