Tausende Bahnreisende sind derzeit mit einem unerwarteten Problem konfrontiert: Ihre Deutschlandtickets wurden über Nacht ungültig, obwohl sie diese regulär bezahlt haben. Was als praktischer Online-Kauf begann, entpuppt sich nun als potenzieller Betrug – mit teuren Konsequenzen. Die Kunden des Fahrkartenshops „D-Ticket.su“ stehen nun vor der Herausforderung, nicht nur ihr Geld zurückzufordern, sondern auch mögliche Strafen fürs Schwarzfahren abzuwenden. Dabei ist deutlich zu sagen: Jedenfalls derzeit steht eine Strafbarkeit nicht im Raum!
Update: Stellungnahme des Shop-Betreibers vom 14.02.25 14:23h aufgenommen! Ich habe es 1:1 übernommen, weil ich finde, es gehört zur Fairness, das in dem Kontext darzustellen. Irgendwelche Bewertungen oder ähnliches nehme ich nicht vor.
Was ist passiert?
Der Fahrkartenshop „D-Ticket.su“ bot das Deutschlandticket zu ungewöhnlichen Konditionen an: Kunden konnten das Ticket flexibel auch mitten im Monat erwerben und mussten nur anteilig für die verbleibenden Tage bezahlen. Lange Zeit funktionierte dieses Modell scheinbar problemlos – bis die Fahrkartenkontrolleure laut ersten Berichten wohl plötzlich begannen, die Tickets als ungültig zu deklarieren.
Das Problem: Die Tickets waren mit einem zunächst gültigen Kryptoschlüssel signiert, doch dieser wurde Ende Januar widerrufen. Ohne diesen digitalen Echtheitsnachweis erkennen die Kontrollsysteme der Verkehrsunternehmen die Fahrkarten nicht mehr an. Die Folge: Wer mit einem solchen Ticket unterwegs ist, gilt als Schwarzfahrer und muss eine Strafe von 60 Euro zahlen.
Update: Stellungnahme des Shopbetreibers
Offizielles Statement von d-ticket.su und RouteVibe Limited: Klarstellung zur aktuellen Situation
In den vergangenen Wochen ist d-ticket.su, betrieben von RouteVibe Limited, ins Zentrum zahlreicher Vorwürfe gerückt, die wir an dieser Stelle klarstellen möchten. Als Plattform, die seit Mitte August 2024 Mobilitätstickets, einschließlich des Deutschlandtickets, angeboten hat, stand unser Hauptanliegen stets darin, den Kunden faire und zugängliche Optionen für den Erwerb von Tickets zu bieten. Die entstandenen Missverständnisse und Vorwürfe, insbesondere Anschuldigungen des Betrugs, weisen wir entschieden zurück.
Explizit möchten wir darauf hinweisen, dass wir von heise.de weder befragt noch kontaktiert wurden, um ein Statement abzugeben – weder postalisch noch digital. Lediglich zwei nennenswerte Nachrichtenportale haben uns individuell für eine Berichterstattung angefragt.
Unsere Plattform wurde von Anfang an darauf ausgelegt, den Kunden transparente und flexible Lösungen zu bieten, die den Anforderungen des heutigen Mobilitätsmarktes gerecht werden. Wir haben über Monate hinweg hart daran gearbeitet, eine benutzerfreundliche Infrastruktur zu entwickeln, die es ermöglicht, Tickets einfach und ohne Bonitätsprüfungen zu erwerben. Gleichzeitig haben wir großen Wert darauf gelegt, einen reibungslosen und kundenorientierten Service anzubieten. Leider wurden wir in der jüngsten Zeit mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert, die außerhalb unseres direkten Einflusses lagen.
Seit Anfang März 2024 standen wir in Kontakt mit zwei hochrangigen Personen aus einem renommierten Mobilitätsunternehmen in Bayern, das selbst digitale Ticketprodukte vertreibt und den Vertrieb über neue Kanäle erweitern wollte. Aus rechtlichen Gründen können wir den Namen des Unternehmens noch nicht nennen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Projekts war die Errichtung einer internationalen Firmenstruktur sowie die Integration von Zahlungsdienstleistungen. Die für die Abwicklung der Tickets erforderliche Software wurde uns vom Partnerunternehmen bereitgestellt, und unsere Aufgabe bestand darin, diese Struktur in unser System zu integrieren und die Produkte auf unserer Plattform anzubieten.
Zu keinem Zeitpunkt hatten wir jedoch Zugriff auf interne Daten oder Informationen des Unternehmens, noch waren wir an der Herausgabe oder Verwaltung der eigentlichen Tickets beteiligt. Wichtig ist, dass der Partner von Beginn an ausdrücklich darauf bestanden hat, dass keinerlei direkte Verbindung zwischen unserer Plattform und seiner Organisation erkennbar sein sollte. Er legte großen Wert darauf, dass d-ticket.su ihren Standort außerhalb Deutschlands hat.
Unser Auftrag bestand darin, die Zahlungsabwicklung sowie die Firmenstruktur für den Vertrieb des Deutschlandtickets bereitzustellen. Nach einigen Wochen wurde jedoch in Absprache und unter fairen Konditionen vereinbart, dass wir zusätzlich die Verantwortung für den Vertrieb, das Marketing und den Kundensupport übernehmen.
Im Januar wurde unsere Plattform von anderen Verkehrsbetrieben als ‘Fake-Shop’ klassifiziert, was unsere Position erheblich geschwächt hat. Wir haben unseren Partner in Deutschland um eine offizielle Stellungnahme gebeten, um diese Missverständnisse zu klären. Leider erhielten wir keine Unterstützung. Nach einem plötzlichen Kommunikationsstillstand Anfang Februar kam es zu massiven Problemen mit den Tickets, die eine Welle von Kundenbeschwerden auslösten.
Es gibt Anzeichen, die darauf hindeuten, dass es beim Partner interne Unstimmigkeiten gab, die schließlich dazu führten, dass das Verkehrsunternehmen die Tickets zurückzog – was die Situation für unsere Kunden erheblich verschärfte.
Es ist uns ein großes Anliegen zu betonen, dass RouteVibe Limited alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um den entstandenen Schaden für die Kunden so gering wie möglich zu halten. Wir bedauern zutiefst, dass diese Entwicklungen zu Schwierigkeiten für unsere Nutzer geführt haben, und arbeiten weiterhin daran, alle offenen Fragen zu klären und faire Lösungen zu finden.
Wir danken unseren Kunden für ihr Vertrauen und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, die durch diese Situation entstanden sind. Für Presseanfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
RouteVibe Limited
Kundenservice-Team von d-ticket.su
Betrugsverdacht gegen den Ticketanbieter
Laut Recherchen bzw. Berichterstattung von Heise Online und Golem.de gibt es wohl mehrere Anzeichen dafür, dass „D-Ticket.su“ kein seriöser Anbieter ist (dazu das Statement oben beachten, das ich bewusst vorher aufnehme, damit der Anbieter nicht Untergeht mit seinem Statement). Hinter dem Fahrkartenshop steckt angeblich die Routevibe Limited, eine Firma mit Sitz in London – allerdings handelt es sich dabei laut den Berichten wohl nur um eine virtuelle Adresse, die von zahlreichen fragwürdigen Unternehmen genutzt wird. Auch das Impressum wirft Fragen auf, denn ähnliche Fake-Shops wie „De-Ticket.com“ oder „D-Ticket.com“ leiten ebenfalls auf dieselbe Plattform um.
Das Eisenbahnunternehmen Metronom hat bereits eine offizielle Warnung veröffentlicht, in der es „D-Ticket.su“ explizit als Beispiel für betrügerische Anbieter nennt. Der Anbieter aber wehrt sich dagegen und betont, dass dies keine faire Behandlung ist.
Die rechtlichen Konsequenzen für Betroffene
Für Kunden von „D-Ticket.su“ ergibt sich eine prekäre Lage: Obwohl sie das Ticket in gutem Glauben erworben haben, haben sie nun Sorge, aus juristischer Sicht als Schwarzfahrer zu gelten. Das Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) kann in Deutschland bereits ab dem ersten Verstoß strafrechtlich verfolgt werden. Aber es ist gerade nicht ausreichend für die Annahme einer Strafbarkeit, dass man schlicht ohne Ticket gefahren ist! Vorliegend dürfte es bereits am Vorsatz mangeln, da die Betroffenen ja glaubten und wohl auch glauben durften, über ein gültiges Ticket zu verfügen. Eine Strafbarkeit sehe ich damit ausdrücklich bisher nicht. Anders, wenn man in Kenntnis “mal versucht” ob das Ticket doch noch funktioniert. Was aber chwer nachzuweisen sein dürfte.
Doch auch wenn eine Strafbarkeit nicht anzunehmen sein dürfte und eine Sanktion in der Regel auch erst bei wiederholten Vorfällen droht, ist das erhöhte Beförderungsentgelt in Form der “60-Euro-Strafe” für betroffene Fahrgäste ein Ärgernis. Dieses ist in §9 der “Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen” geregelt und hier ist tatsächlich weder ein Vorsatz noch ein Verschulden notwendig, damit diese Kosten entstehen. Eine Ausnahme wird aber wohl für Minderjährige zu machen sein.
Kein erhöhtes Beförderungsentgelt für Minderjährige!
Das erhöhte Beförderungsentgelt gilt für Minderjährige nicht, weil sie ohne Zustimmung ihrer Eltern keinen wirksamen Beförderungsvertrag abschließen können. Ein Vertrag kommt im öffentlichen Nahverkehr meist konkludent durch das Einsteigen zustande. Da ein Beförderungsvertrag aber auch Pflichten begründet, benötigt ein Minderjähriger gemäß § 107 BGB die Zustimmung seiner Eltern, wenn der Vertrag nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Die Zustimmung der Eltern umfasst in der Regel nur den Ticketkauf – nicht aber eine Schwarzfahrt oder die Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts. Hierzu gibt es inzwischen einschlägige Rechtsprechung, wer sich im Detail interessiert, kann eine Falllösung dazu hier bei der Uni Giessen nachlesen.
Vergisst ein Minderjähriger also, ein Ticket zu lösen, und wird als Schwarzfahrer erwischt, bleibt der Beförderungsvertrag schwebend unwirksam. Verweigern die Eltern nachträglich die Genehmigung, gilt der Vertrag als von Anfang an nichtig. Ohne Vertrag kann aber auch kein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangt werden.
Andererseits mag man überlegen, was man selbst falsch gemacht hat: Wenn etwas wie das Deutschlandticket plötzlich mit Rabatten beworben wird, sollte nicht die Gier sondern der Verstand siegen.
Rechtsanwalt Jens Ferner
Viele Betroffene versuchen angeblich derzeit, über ihre Bank oder ihren Zahlungsdienstleister das gezahlte Geld zurückzuholen. Eine direkte Rückerstattung durch „D-Ticket.su“ ist hingegen unwahrscheinlich, da in den Nutzungsbedingungen des Shops explizit festgehalten ist, dass keine Stornierungen oder Rückerstattungen möglich sind.
Was können Betroffene tun?
- Geld zurückfordern: Wer per Kreditkarte bezahlt hat, kann über die Bank ein Chargeback-Verfahren einleiten. Auch PayPal bietet in manchen Fällen Käuferschutz an.
- Zahlungsdaten überprüfen: Es ist ratsam, das Bankkonto und die Kreditkartenabrechnungen genau zu beobachten, um unautorisierte Abbuchungen schnell zu erkennen.
- Kreditkarte sperren: Da der Betreiber des Shops möglicherweise die Zahlungsdaten gespeichert hat, sollten Kunden in Erwägung ziehen, ihre Karte vorsorglich zu sperren und sich eine neue ausstellen zu lassen. Als Tipp: Ich mache so etwas alle 2-3 Jahre grundsätzlich.
- Kulanz bei Verkehrsunternehmen erbitten: Betroffene können versuchen, sich direkt an das Verkehrsunternehmen zu wenden und um eine Kulanzregelung zu bitten.
Die Geschichte von „D-Ticket.su“ ist ein weiteres Beispiel dafür, wie leicht es Betrügern gelingen kann, sich im digitalen Raum als seriöse Anbieter zu tarnen – und wie schwer es für betroffene Verbraucher ist, ihr Recht im Streitfall durchzusetzen. Andererseits mag man überlegen, was man selbst falsch gemacht hat: Wenn etwas wie das Deutschlandticket plötzlich mit Rabatten beworben wird, sollte nicht die Gier sondern der Verstand siegen.
Fazit
Der Fall zeigt eindrücklich, welche Risiken der Kauf von Bahntickets über unbekannte Drittanbieter birgt. Die vermeintlich günstigen Konditionen entpuppten sich als teures Fiasko für zahlreiche Bahnreisende, die nun als Schwarzfahrer gelten. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte sein Deutschlandticket direkt über die offiziellen Verkaufsstellen wie die Deutsche Bahn, regionale Verkehrsverbünde oder lizenzierte Apps erwerben.
- Darlegungslast bei stationärem Vertrieb - 8. Juli 2025
- Begrenzung des Bewährungswiderrufs durch Vertrauensschutz - 8. Juli 2025
- OLG Köln zur Bezeichnung „Dubai Chocolate“ - 7. Juli 2025