In einem überraschend harten Beschluss (Az. 7 Ws 27/24) hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden, dass die Reststrafenaussetzung eines Verurteilten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung widerrufen wird. Der Fall befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Scheinwohnsitz die positive Legalprognose nach § 57 Abs. 1 StGB beeinträchtigt und somit die Bewährung gefährdet.
Sachverhalt
Der Verurteilte wurde wegen systematischer Steuerhinterziehung und Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Während des Vollzugs hatte er sich um eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung bemüht. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Verurteilte kurz vor der Rechtskraft des Urteils einen Scheinwohnsitz in einem anderen Bundesland angemeldet hatte, um in den Genuss leichterer Haftbedingungen zu kommen. Dies führte zu Zweifeln an seiner positiven Legalprognose, die für eine Reststrafenaussetzung erforderlich ist.
Entscheidung des Landgerichts Fulda
Das Landgericht Fulda hatte ursprünglich entschieden, dem Verurteilten eine Reststrafenaussetzung zu gewähren. Es argumentierte, dass der Verurteilte im offenen Vollzug keine wesentlichen Verstöße begangen habe und daher eine günstige Legalprognose vorliege. Diese Entscheidung wurde jedoch von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main angefochten, was zur Überprüfung durch das OLG Frankfurt führte.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt
Rechtliche Analyse und Begründung
Das OLG Frankfurt hob die Entscheidung des Landgerichts Fulda auf und verwehrte die Reststrafenaussetzung. Die wesentlichen Gründe hierfür sind:
- Positive Legalprognose und § 57 Abs. 1 StGB:
Eine bedingte Entlassung gemäß § 57 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass eine günstige Legalprognose besteht. Dies bedeutet, dass es wahrscheinlich sein muss, dass der Verurteilte in Zukunft keine weiteren Straftaten begehen wird. Dabei sind die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit besonders zu berücksichtigen. - Scheinwohnsitz als Indikator für fehlende Reue:
Das Gericht stellte fest, dass der Verurteilte einen Scheinwohnsitz in einem anderen Bundesland angemeldet hatte, um in den Genuss günstigerer Haftbedingungen zu kommen. Dies wurde als Indikator dafür gewertet, dass der Verurteilte nicht die erforderliche Reue und Einsicht zeigt, die für eine positive Legalprognose notwendig sind. Die Verschleierung des tatsächlichen Wohnsitzes und die manipulativen Handlungen des Verurteilten während des Verfahrens waren entscheidende Faktoren, die gegen seine Bewährung sprachen. - Keine konsistente und glaubhafte Darstellung:
Der Verurteilte konnte im Beschwerdeverfahren keine konsistente und glaubhafte Erklärung für seinen angeblichen Umzug nach Stadt2 liefern. Die Behauptungen über berufliche und familiäre Gründe für den Umzug wurden als unglaubwürdig und widersprüchlich bewertet. Zudem waren die Angaben im Zusammenhang mit der geplanten Übernahme eines Dönerrestaurants durch die Z GmbH nicht nachvollziehbar und erschienen als nachträgliche Rechtfertigungen. - Erhöhte Anforderungen an die Prognose:
Angesichts der Schwere der begangenen Taten und der damit verbundenen kriminellen Energie des Verurteilten stellte das Gericht erhöhte Anforderungen an die positive Prognose. Die bisherigen Verhaltensweisen des Verurteilten, einschließlich der Täuschung über seinen Wohnsitz, ließen erhebliche Zweifel an seiner zukünftigen Straffreiheit aufkommen.
Ich kämpfe oft und vor allem sehr erfolgreich um Bewährungen – dieser Fall zeigt, was ich allen Mandanten predige, auch hier auf der Webseite offen schreibe: Bei Bewährungen geht es noch mehr als sonst im Strafrecht um den konkreten Menschen im Einzelfall.
Wer auch auf scheinbar unbedeutendem Gebiet herumtrickst, lädt Gerichte dazu ein, mit schlechter Stimmung hart durchzugreifen. Dabei haben Gerichte einen umfangreichen Ermessensspielraum bei dem Thema! Darum: Lieber ohne Tricks, mit Freude draußen zu sein, die Bewährungszeit rumbekommen.
Bedeutung für die Praxis
Diese Entscheidung verdeutlicht die strengen Maßstäbe, die bei der Beurteilung einer positiven Legalprognose und der Bewährungsfähigkeit angelegt werden. Insbesondere wird klar, dass manipulative und täuschende Handlungen während des Vollzugsverfahrens schwerwiegende Auswirkungen auf die Chancen einer Reststrafenaussetzung haben können. Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit stehen dabei im Vordergrund, und jede Form von Unaufrichtigkeit oder Verschleierung kann das Vertrauen in die zukünftige Straffreiheit des Verurteilten erheblich untergraben.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt betont die Notwendigkeit einer klaren und glaubhaften Darlegung aller Umstände durch den Verurteilten, die eine positive Legalprognose rechtfertigen sollen. Täuschende Handlungen und der Versuch, das Justizsystem zu manipulieren, können schwerwiegende Konsequenzen haben und zur Verweigerung der Bewährung führen. Diese Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit und den Schutz der Allgemeinheit vor möglichen weiteren Straftaten durch bereits verurteilte Täter.
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