OLG Celle zur Einbeziehung von AGB bei Internet-System-Verträgen

Vertragswirksamkeit bei digitalen Leistungen: „Internet-System-Verträge“ sind weit verbreitet – Verträge, in denen Dienstleister Unternehmen Webauftritte inklusive Hosting, Gestaltung und Suchmaschinenoptimierung versprechen. Der rechtliche Umgang mit solchen komplexen Vertragsgestaltungen ist jedoch nicht immer trivial. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 04.04.2024 – 2 U 34/23) verdeutlicht, welche Anforderungen an die Vertragswirksamkeit, die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und die Beweisführung gestellt werden – und stellt dabei zentrale Weichen für die gerichtliche Bewertung solcher Vertragstypen.

Sachverhalt

Die Klägerin forderte von der Beklagten Zahlung ausstehender Vergütung in Höhe von rund 5.200 Euro aus einem . Die Beklagte hatte zuvor bereits einen Betrag geleistet, den sie jedoch im Wege der Widerklage zurückverlangte. Sie warf der Klägerin unter anderem vor, die versprochene Leistung – insbesondere die Erreichbarkeit der Website sowie eine wirksame Suchmaschinenoptimierung – nicht erbracht zu haben, und erklärte mehrfach den , die Kündigung sowie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Das Landgericht Hannover hatte die abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben – mit der Begründung, es habe an einem wirksamen Vertragsschluss gefehlt. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass eine maßgebliche Leistungsbeschreibung Vertragsbestandteil geworden sei. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Erfolg an das OLG.

Rechtliche Analyse

1. Werkvertragliche Einordnung

Zutreffend qualifizierte das OLG den streitgegenständlichen Vertrag als (§ 631 BGB), da ein konkreter Erfolg geschuldet war – nämlich die Erstellung einer Webseite sowie deren Auffindbarkeit im Netz durch Suchmaschinenoptimierung.

2. Wirksamkeit des Vertrags

Das zentrale rechtliche Problem bestand in der Frage, ob die Leistungsbeschreibung wirksam in den Vertrag einbezogen wurde. Das Landgericht hatte dies verneint, weil die Klägerin den Nachweis einer Übergabe nicht führen konnte. Das OLG hingegen stellte klar, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 14 BGB) keine Übergabe im strengen Sinn erforderlich ist. Vielmehr genügt eine ausdrückliche Bezugnahme in der Vertragsurkunde sowie die Möglichkeit zur Kenntnisnahme – beides war hier gegeben.

Bemerkenswert ist die Feststellung, dass die Leistungsbeschreibung als Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam einbezogen wurde, da die Vertragsparteien Unternehmer waren und der Beklagten die Möglichkeit zur Einsichtnahme offenstand. Die pauschale Bestätigung der Übergabe der Leistungsbeschreibung in der Vertragsurkunde könne zwar eine unzulässige Beweislastumkehr begründen (§ 307 BGB), ändere aber nichts an der wirksamen Einbeziehung selbst.

3. Beweislast und Vertragsinhalt

Ein weiterer Schwerpunkt der Entscheidung liegt auf der verfahrensrechtlichen Würdigung: Das Landgericht hatte wesentliche Teile des Parteivortrags nicht ausreichend berücksichtigt und gebotene Hinweise nach § 139 unterlassen. Es fehlte an einer umfassenden Beweisaufnahme, unter anderem zu den behaupteten Täuschungen über Leistungsumfang und Erfolgsaussichten der Suchmaschinenoptimierung. Daher hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurück.


Ergebnis

Die Entscheidung des OLG Celle (Az. 2 U 34/23) unterstreicht in prägnanter Weise, dass auch bei standardisierten digitalen Leistungsangeboten wie Internet-System-Verträgen sorgfältige vertragliche Regelungen und die wirksame Einbeziehung von AGB entscheidend sind. Die Schlussfolgerung: Ein Vertrag ist nicht schon deshalb unwirksam, weil einzelne Dokumente nicht nachweislich übergeben wurden – entscheidend ist, ob die Vertragsparteien im unternehmerischen Verkehr stillschweigend die Einbeziehung der relevanten Unterlagen vereinbart haben. Das Urteil stärkt die Position von Dienstleistern, mahnt zugleich aber zur Transparenz und Dokumentation bei der Vertragsanbahnung und -durchführung.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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