Digitale Durchsuchung mit Grenzen: Die fortschreitende Digitalisierung stellt auch das Disziplinarrecht der Bundeswehr vor neue Herausforderungen. In einem aktuellen Beschluss vom 4. Dezember 2024 (BVerwG, Az. 2 WDB 7/24) hat sich der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit bei Verdacht auf strafbares Verhalten digitale Endgeräte und externe Datenspeicher eines Soldaten durchsucht werden dürfen. Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere die Zulässigkeit der Durchsuchung von Cloud-Diensten.
Sachverhalt
Ein ehemaliger Obermaat der Reserve war im Verdacht, im Rahmen seiner Dienstzeit ein vertrauliches Gespräch mit einem Oberstabsarzt und einem Sanitätsfeldwebel ohne deren Wissen aufgenommen zu haben. Dies soll er in einer Eingabe an die Wehrbeauftragte selbst angedeutet haben. Trotz Behauptung, eine Einwilligung aufgezeichnet zu haben, verweigerte er die Herausgabe der Tondatei. Die Disziplinarvorgesetzten beantragten daraufhin die Durchsuchung und gegebenenfalls Beschlagnahme seiner persönlichen digitalen Geräte – konkret seines Smartphones, seiner Smartwatch (AppleWatch) sowie der damit verbundenen Cloud-Speicher.
Das Truppendienstgericht Süd entsprach dem Antrag und ordnete eine umfassende Durchsuchung an, einschließlich Zugriff auf externe Datenspeicher. Hiergegen legte der frühere Soldat Beschwerde ein.
Rechtliche Würdigung
Das Bundesverwaltungsgericht differenzierte deutlich: Die Durchsuchung der physischen Endgeräte – also Smartphone und Smartwatch – sei angesichts des bestehenden Anfangsverdachts (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, unbefugte Tonaufnahme) rechtmäßig. Eine Smartwatch mit Aufzeichnungs- und Synchronisationsfunktion könne durchaus als potentielles Beweismittel gelten, insbesondere wenn der Verdacht auf eine heimliche Gesprächsaufzeichnung besteht.
Anders beurteilte der Senat jedoch die Durchsuchung des Cloud-Speichers. Der Zugriff auf Cloud-Dienste sei mit einem besonders schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) verbunden. Für diesen Eingriff müsse eine deutlich konkretere Darlegung erfolgen, dass sich dort relevante Beweise befinden. Diese Schwelle sah das Gericht nicht als erreicht an, da keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Speicherung der Datei in der Cloud dargelegt worden seien.
Einschätzung
Die Entscheidung überzeugt durch ihre präzise Abwägung zwischen dem staatlichen Aufklärungsinteresse und dem Schutz individueller Freiheitsrechte. Gerade im Bereich moderner digitaler Kommunikationstechnologien ist ein differenzierter Zugriff erforderlich, um keine verfassungsrechtlich garantierten Positionen zu verletzen. Das Gericht zeigt eine bemerkenswerte Sensibilität gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre in virtuellen Speicherumgebungen.
Zugleich bekräftigt die Entscheidung die Pflichten eines Soldaten zur Loyalität und zum dienstlichen Wohlverhalten (§ 7 SG). Ein Verdacht auf heimliche Aufzeichnung eines dienstlichen Gesprächs wiegt disziplinarrechtlich schwer und kann – wie hier – Eingriffe in die Privatsphäre rechtfertigen, soweit sie verhältnismäßig sind.
Schlussfolgerung
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Beschluss (Az. 2 WDB 7/24) eine bedeutsame Klarstellung zur Reichweite digitaler Durchsuchungen im Disziplinarverfahren gegeben. Die Kernaussage: Der Zugriff auf private Endgeräte ist bei hinreichendem Tatverdacht möglich – der Zugriff auf Cloud-Speicher hingegen nur unter strengen Voraussetzungen. Damit zieht das Gericht eine notwendige verfassungsrechtliche Grenze und stärkt den Datenschutz in Zeiten zunehmender Digitalisierung auch im Disziplinarrecht der Streitkräfte.
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