Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Beschluss vom 31. Juli 2018 (Az. 3 StR 620/17) wesentliche Fragen zur Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB und den Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale geklärt. Im Zentrum des Falles stand ein Angestellter einer kommunalen Verkehrsgesellschaft, der durch ein komplexes Geflecht von Geschäftsbeziehungen und Interessenkonflikten unrechtmäßige Vorteile erlangte. Der Fall vertieft die Bedeutung der Abgrenzung von Vorteilsannahme und Untreue sowie die Kriterien zur Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte.
Sachverhalt
Der Angeklagte war leitender Mitarbeiter einer kommunalen Verkehrsgesellschaft, deren Hauptaufgabe die Sicherstellung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) war. In seiner Funktion war er für die Werbevermarktung verantwortlich und hatte weitreichende Entscheidungsbefugnisse, auch in Bezug auf die Vergabe von Aufträgen.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau gründete der Angeklagte ein Unternehmen, das in der Folgezeit regelmäßig mit der Beklebung von Werbeflächen an Fahrzeugen seiner Arbeitgeberin beauftragt wurde. Die Aufträge erfolgten entweder direkt durch die Verkehrsgesellschaft oder durch Drittunternehmen, die wiederum mit der Verkehrsgesellschaft vertraglich verbunden waren. Die Geschäftstätigkeit des Unternehmens des Angeklagten generierte Einnahmen in Höhe von über 1,2 Millionen Euro, wovon knapp 350.000 Euro als Gewinn verbucht wurden.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Vorteilsannahme in 529 Fällen sowie wegen Untreue. Der BGH hob jedoch die Verurteilung in wesentlichen Teilen auf.
Rechtliche Würdigung
1. Tatbestand der Vorteilsannahme
- Der BGH bestätigte, dass sich der Angeklagte wegen Vorteilsannahme strafbar gemacht hat. Entscheidend war, dass er in seiner Funktion als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) handelte und die ihm obliegende Aufgabe der öffentlichen Verwaltung missbrauchte. Die Werbevermarktung wurde als Teil der öffentlichen Aufgabe gewertet, da sie der Finanzierung des defizitären ÖPNV diente.
- Der Vorteil lag im Abschluss von Verträgen zugunsten des eigenen Unternehmens, was einen Interessenkonflikt und eine unzulässige persönliche Bereicherung begründete.
2. Abgrenzung von Vorteilsannahme und Untreue
- Der BGH stellte klar, dass die Annahme von Vorteilen in diesem Fall nicht in jeder Instanz als eigenständige Tat gewertet werden kann. Vielmehr sei die Gesamtheit der Handlungen als einheitlicher Tatkomplex zu behandeln, da die Vorteile aus einem übergreifenden organisatorischen Missbrauch resultierten (uneigentliches Organisationsdelikt).
- Die ursprüngliche Verurteilung in 529 selbstständigen Fällen wurde daher korrigiert.
3. Einziehung von Taterträgen
- Der BGH hob die Einziehungsanordnung auf, da die Gewinne nicht direkt dem Angeklagten, sondern seiner gemeinsam mit der Ehefrau geführten Gesellschaft zuflossen. Nach § 73 StGB ist eine Einziehung gegen den Täter nur möglich, wenn er selbst Vermögenswerte erlangt hat.
- Der BGH stellte jedoch fest, dass eine erneute Prüfung notwendig sei, ob die Gesellschaft lediglich als formaler Mantel diente und ob die Vermögensmehrung tatsächlich dem Angeklagten zugutekam.
Praktische Konsequenzen der Entscheidung
Präzisierung des Amtsträgerbegriffs
Der Beschluss unterstreicht die umfassende Einordnung von Mitarbeitern privatrechtlicher Unternehmen als Amtsträger, wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Dies erweitert den Schutzbereich des Korruptionsstrafrechts erheblich.
Einheitliche Bewertung von Vorteilsannahme
Die Festlegung auf eine einheitliche Tat bei systematischem Missbrauch zeigt, dass das Korruptionsstrafrecht nicht nur Einzeltaten, sondern auch strukturelle Verstöße erfasst. Dies vereinfacht die Strafverfolgung in Fällen, in denen Vorteile durch langfristige und wiederholte Verstöße erzielt werden.
Einziehung und Vermögensabschöpfung
Der BGH verdeutlicht die Anforderungen an die Einziehung von Taterträgen. Entscheidend ist eine klare Trennung zwischen Tätervermögen und Gesellschaftsvermögen. Die Rechtsprechung zu § 73 StGB bietet damit klare Leitlinien für die Praxis.
Fazit
Der Beschluss des BGH vom 31. Juli 2018 ist wegweisend für die rechtliche Behandlung von Vorteilsannahme und die Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte. Er betont die Notwendigkeit einer präzisen Subsumtion und stärkt den Schutz öffentlicher Aufgaben vor korruptiven Einflüssen. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung die Komplexität bei der strafrechtlichen Erfassung von Vorteilen, die in Unternehmensstrukturen verborgen sind. Die Entscheidung stellt somit eine essenzielle Orientierung für die Praxis des Korruptionsstrafrechts dar.
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