Insolvenzverschleppung und das COVInsAG

Insolvenzverschleppung und Corona: Eine Meldung der Creditreform lässt aufhorchen – diese warnt davor, dass zum Herbst 2020 die Insolvenzverfahren massiv ansteigen können. Hintergrund ist die Sorge, dass wegen der ausgesetzten Insolvenzantragsfrist viele die eigentlich schon notwendigen Insolvenzanträge nach hinten schieben.

Dazu auch bei uns:

Insolvenzantragsfrist ausgesetzt

In der Tat ist die Insolvenzantragsfrist – auf den ersten Blick – auch ausgesetzt. Hintergrund ist das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (auch „COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz“ oder „COVInsAG“). Mit diesem wurde die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung bis zum 30. September 2020 ausgesetzt (§1).

Keine Aussetzung im Blindflug!

Es gibt jedoch ein dickes „aber“: Ausdrücklich, unter zwei alternativen Bedingungen, ist die Antragspflicht nicht ausgesetzt, nämlich:

  • Wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder
  • Wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Hinsichtlich Varianten hat der Gesetzgeber ausgeholfen, da die für das beruhen auf den Corona-Umständen bei demjenigen liegt, der sich auf das Bestehen der Antragspflicht beruft: Wenn am 31. Dezember 2019 noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. 

Auch wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig war, bleibt es im Übrigen dabei, dass das Nichtberuhen der Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie oder das Fehlen von Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit von demjenigen zu beweisen ist, der sich darauf beruft, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist (BT-Drucksache 19/18110, Seite 19).

Nachherige Bewertung

Das Problem in jedenfalls strafrechtlicher Hinsicht wird die spätere Bewertung sein – getreu dem Motto „hinterher ist man immer Klüger“ werden Staatsanwaltschaften recht genau prüfen, ob eventuell schon früher eine Schieflage eingetreten ist – insbesondere ob zwar die COVID19-Pandemie vielleicht ein auslösender Faktor war, aber gerade nicht der auslösende Faktor. Wenn dann die Staatsanwaltschaft zu der Analyse kommt, dass schon vorher eine sich abzeichnende Schieflage bestanden hat, die erst durch Corona dann endgültig durchschlug und es deutlich vor dem September 2020 keine Aussicht auf Erholung mehr gab, wird schnell eine Strafbarkeit im Raum stehen.

Individuelle Bewertung anstellen

Es kann nur dringend angeraten werden, fortlaufend im Einzelfall Bewertungen mit dem anzustellen und zu prüfen, ob möglicherweise schon vor dem 30.09.2020 die Prognose einer Erholung so kritisch zu sehen ist, dass man nicht mit einer eventuellen Strafbarkeit „pokern“ sollte. Insbesondere ist dann zu denken, dass aussagekräftige Finanz-/Wirtschaftspläne existieren müssen, die eine Fortschreibung der prognostischen wirtschaftlichen Entwicklung gerade in diesen schwierigen Monaten seit März 2020 nachvollziehbar darstellen. Wer jedenfalls im „Blindflug“ schlicht bis zum 30.09. abwartet begibt sich auf dünnes Eis.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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