Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az.: 19 O 4768/23) hat in einem bemerkenswerten Urteil die zivilrechtliche Haftung eines Empfängers täuschungsbedingt überwiesener Gelder bejaht. Im Zentrum der Entscheidung steht die Anwendung des Geldwäschetatbestands (§ 261 StGB) als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB. Die Entscheidung zeigt exemplarisch, wie zivilrechtliche und strafrechtliche Aspekte ineinandergreifen, insbesondere in der modernen Welt der Kryptowährungen.
Sachverhalt
Der Kläger war auf eine betrügerische Webseite gestoßen, die Investitionen in Kryptowährungen anbot. Nach mehreren Überweisungen auf Auslandskonten wurde er angewiesen, weitere Beträge auf das Konto des Beklagten zu überweisen. Der Beklagte, der selbst glaubte, in ein profitables Anlagegeschäft eingebunden zu sein, leitete die Gelder an verschiedene Bitcoin-Adressen weiter. Der Kläger forderte später die Rückzahlung von insgesamt 10.400 Euro, die er unter Täuschung auf das Konto des Beklagten überwiesen hatte.
Der Beklagte behauptete, gutgläubig gehandelt und keinen finanziellen Vorteil aus den Überweisungen gezogen zu haben. Das Gericht entschied jedoch zugunsten des Klägers und sprach ihm die Rückzahlung zu.
Rechtliche Analyse
Geldwäsche als Schutzgesetz
Das Gericht stellte klar, dass § 261 Abs. 6 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Die Vorschrift zielt darauf ab, Vermögensinteressen zu schützen und die Verfestigung von Schäden aus Straftaten wie Betrug zu verhindern. Entscheidend war, dass eine rechtswidrige Vortat (hier: Betrug) nicht vollendet sein musste; der Versuch reichte aus:
Bei § 261 Abs. 6 StGB handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Den Schutz eines anderen bezweckt eine Norm, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dabei kommt es auf Inhalt und Zweck des Gesetzes an sowie darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass gerade einen Rechtsschutz intendiert hat. Mit Schaffung des Tatbestandes der Geldwäsche sollten gerade die Vermögensinteressen derjenigen, die durch eine rechtswidrige Tat geschädigt wurden, geschützt werden, um zu verhindern, dass deren Schaden verfestigt wird, etwa indem wie vorliegend das täuschungsbedingt überwiesene Geld nicht wieder zurückgebucht oder anderweitig zurückgeholt werden kann.
Eine rechtswidrige Vortat i.S.v. § 261 Abs. 1 S. 1 StGB liegt in Form eines Betruges gemäß § 263 StGB vor. Der Kläger wurde unstreitig durch Täuschung veranlasst, die streitgegenständlichen Überweisungen auf das Konto des Beklagten zu tätigen. Es ist auch davon auszugehen, dass der oder die unbekannte(n) Täter als Zwischenschritt ihrer Tat zunächst eine Bereicherung des Beklagten beabsichtigten, um im weiteren Verlauf diesen dazu zu veranlassen, die Geldbeträge auf Konten weiterzuleiten, auf die der oder die unbekannten Täter Zugriff hatten.
Der Betrug war damit auch bereits durch die klägerseits vorgenommenen Überweisungen vollendet. Letztlich ist für die Vortat im Rahmen des Geldwäschetatbestandes aber nicht einmal eine vollendete Tat erforderlich (solange nur der Versuch an sich strafbar ist, was beim Betrug der Fall ist, § 263 Abs. 2 StGB) noch muss ein konkreter Täter bekannt sein (OLG Dresden, Beschluss vom 5. November 2019 – 4 U 418/19 –, Rn. 18, juris). Anders als bis zu der am 18.03.2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung des § 261 StGB setzt die Verwirklichung der leichtfertigen Geldwäsche als Schutzgesetz im Sinne des zivilrechtlichen Deliktsrechts auch nicht mehr voraus, dass der Betrug gewerbsmäßig begangen wurde.
Leichtfertigkeit und ihre Folgen
Das Gericht befand, dass der Beklagte leichtfertig handelte. Leichtfertigkeit liegt vor, wenn jemand offensichtliche Risiken aus besonderem Leichtsinn oder Gleichgültigkeit ignoriert. Der Beklagte hätte erkennen müssen, dass die Herkunft der Gelder fragwürdig war, da er weder die Identität des angeblichen Beraters überprüfte noch plausibel erklären konnte, warum er in die Geldtransfers einbezogen wurde.
Schadensersatzanspruch
Der Schaden des Klägers bestand im Verlust der überwiesenen Gelder. Das Gericht sah in der Weiterleitung der Gelder an unbekannte Dritte eine Verletzung der Schutzpflichten des Beklagten. Auch die außergerichtlichen Anwaltskosten wurden als erstattungsfähig anerkannt.
Keine Bereicherung erforderlich
Bemerkenswert ist, dass das Gericht den Anspruch des Klägers nicht daran scheitern ließ, dass der Beklagte die Gelder nicht mehr hatte. Die Haftung des Beklagten gründete auf der deliktischen Verletzung des Schutzgesetzes und nicht auf einem Bereicherungsanspruch.
Fazit
Die Entscheidung betont die zivilrechtliche Verantwortung von Personen, die in betrügerische Machenschaften involviert werden, auch wenn sie selbst Opfer der Täuschung sind. Sie unterstreicht die Bedeutung von Sorgfaltspflichten und zeigt, dass Leichtfertigkeit gravierende rechtliche Konsequenzen haben kann.
Die Haftung von Finanzagenten ist damit auch zivilrechtlich ein erhebliches Thema – und kann gutgläubige, naive FInanzagenten ruinieren.
Diese richtungsweisende Entscheidung sensibilisiert für die Gefahren, die mit Kryptowährungen und unseriösen Anlageangeboten verbunden sind. Für Verbraucher und juristische Berater bietet sie wertvolle Orientierung in einem hochkomplexen Rechtsgebiet.
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