Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat sich in einem Beschluss vom 13. November 2024 mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei einem grenzüberschreitenden Streitfall um Bitcoin-Investitionen befasst (Az.: 102 AR 119/24 e). Der Fall illustriert die Herausforderungen bei der Anwendung der Brüssel Ia-VO (EuGVVO) auf innovative Finanzinstrumente wie Kryptowährungen und wirft grundsätzliche Fragen zu Verweisungsbeschlüssen und deliktischem Gerichtsstand auf.
Sachverhalt
Die Klägerin, wohnhaft in München, erhob Klage gegen den Beklagten, einen in Berlin gemeldeten Investmentbanker, auf Zahlung von 23.463,47 Euro. Hintergrund war eine private Vereinbarung über Bitcoin-Investitionen aus dem Jahr 2017. Der Beklagte sollte im Auftrag der Klägerin Bitcoin erwerben und sie im Falle einer Wertsteigerung teilweise an den Gewinnen beteiligen. Nach mehrjähriger Wartezeit verlangte die Klägerin 2021 die Auszahlung ihres Anteils, stellte jedoch fest, dass die Bitcoin zwischenzeitlich verkauft worden waren. Die Parteien vereinbarten daraufhin eine Rückzahlung in Raten, von denen jedoch nur ein Teil geleistet wurde.
Streit entstand insbesondere darüber, ob die Bitcoin ohne Einverständnis der Klägerin in andere Kryptowährungen umgewandelt und spekulativ eingesetzt wurden. Die Klägerin warf dem Beklagten vor, nicht über Risiken und rechtliche Vorgaben aufgeklärt worden zu sein.
Rechtliche Analyse
Internationale und örtliche Zuständigkeit
Das Landgericht München I hielt sich für zuständig, da der Schaden im Vermögen der Klägerin an ihrem Wohnort eingetreten sei (§ 32 ZPO i.V.m. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO). Der Beklagte argumentierte jedoch, dass keine Verbindung zu München bestehe, da die Transaktionen außerhalb Deutschlands erfolgten. Das BayObLG stellte fest, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I nicht bindend sei, da er objektiv willkürlich ergangen war.
Deliktischer Gerichtsstand
Die Klägerin stützte ihren Anspruch auch auf deliktische Schadensersatzansprüche (§ 823 Abs. 2, § 826 BGB). Entscheidend war, ob der Schaden unmittelbar aus einer unerlaubten Handlung resultierte. Das Gericht betonte, dass der deliktische Gerichtsstand eng auszulegen sei und nicht beliebig zur Begründung einer Zuständigkeit herangezogen werden dürfe.
Vertragliche Aspekte
Die Vereinbarung zwischen den Parteien enthielt Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 675, 611 BGB), verbunden mit einem Anlageauftrag. Die Frage, ob der Beklagte durch das „Verzocken“ der Bitcoin gegen vertragliche oder gesetzliche Pflichten verstieß, blieb durch den Verweis an das Landgericht München I zur weiteren Aufklärung offen.
Fazit
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer präzisen Zuständigkeitsprüfung bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten wie Kryptowährungen ist eine differenzierte Abwägung zwischen deliktischen und vertraglichen Anspruchsgrundlagen erforderlich. Das BayObLG hat klargestellt, dass Verweisungsbeschlüsse sorgfältig begründet sein müssen, um nicht als willkürlich zu gelten.
Die Quintessenz dieser Entscheidung ist, dass Kläger bei der Wahl des Gerichtsstands und der Formulierung ihrer Klageansprüche besonderes Augenmerk auf die Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit legen müssen. Im Bereich der Kryptowährungen bleibt die Rechtslage aufgrund ihrer Neuartigkeit jedoch weiterhin dynamisch und herausfordernd.
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