Das Verwaltungsgericht Aachen (3 L 1342/19) macht deutlich, wie man mit vorgeblichem unwissentlichen Drogenkonsum – hier in Form von Amphetaminkonsum – in der Rechtsprechung zur Fahreignung umgeht. Dabei geht es um die Behauptung des unwissentlichen Amphetaminkonsums in Form des Gebrauchs eines Nasensprays – was das Verwaltungsgericht kategorisch verneint.
Dazu auch bei uns: Entzug der Fahrerlaubnis nach Konsum harter Drogen
Mangelnde Fahreignung bei Drogenkonsum
Hintergrund war natürlich Streit um die Fahreignung, dabei gilt bekanntlich, dass die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann gegeben ist, wenn Erkrankungen und Mängel nach der Anlage 4 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Ausdrücklich ist bei der „Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis)“ die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeug nicht gegeben (siehe Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV).
Bei den die Fahreignung in besonderem Maße negativ beeinflussenden Substanzen wie Amphetamin, die unter das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) fallen, soll ‑ mit Ausnahme von Cannabis, für das eine differenzierte Regelung getroffen ist (vgl. Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV) ‑ bereits die bloße Einnahme dieser Substanzen die Fahreignung für alle Fahrerlaubnisklassen im Regelfall ausschließen. Das bedeutet in ständiger Rechtsprechung, dass es auf eine Teilnahme am Straßenverkehr oder gar auf Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr gar nicht ankommt: Vielmehr reicht regelmäßig schon der einmalige Konsum einer sog. harten Droge aus, um die Fahreignung zu verneinen (siehe OVG NRW, 16 B 231/12).
Unwissentlicher Drogenkonsum kann eine Ausnahme sein
Wenn man vorbringt, unwissentlich Drogen konsumiert zu haben, ist dies eine geeignete Verteidigung, weil zumindest in der Regel keine eignungsausschließende persönliche Fehlhaltung und damit auch keine beachtliche Wiederholungsgefahr besteht, wenn ungewollt ein Betäubungsmittel eingenommen worden ist. Zum unwissentlichen Konsum von Drogen kann hierbei auch der passive Konsum gehören, speziell beim Einatmen von Cannabis.
Mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geht aber einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus, wenn man so will ist dies ein „Anscheinsbeweis“ im weitesten Sinne. Wenn dann ein versehentlich herbeigeführter Konsum behauptet wird, ist dies eine besondere Ausnahme, zu der nur der Betroffene selber aufklären und vortragen kann – und der daher von diesem glaubhaft und widerspruchsfrei vorgetragen werden muss (OVG NRW, 16 B 231/12).
Unwissentlicher Drogenkonsum oder schlichte Schutzbehauptung?
Der Sachverhalt beim VG Aachen stellte sich nun wie Folgt dar:
Sie habe am Abend des 17. Januar 2019, also am Vorabend des Vorfalls, eine Bekannte in deren Wohnung besucht. Sie, die Antragstellerin, habe in der betreffenden Woche Urlaub gehabt und an einem erkältungsbedingten Schnupfen gelitten. Als die Bekannte gerade in der Dusche gewesen sei, habe sie, die Antragstellerin, ein Nasenspray der Bekannten benutzt, das auf dem Schrank neben dem Fenster gestanden habe, ohne dabei zu ahnen, dass ihre Bekannte dieses Nasenspray zuvor zum Zwecke des eigenen Drogenkonsums „mit Amphetamin-Öl manipuliert“ habe.
Dieser Vortrag war nicht ganz durchdacht: Bei einer Amphetaminbase („Amphetamin-Öl“) handelt es sich um eine ölige Flüssigkeit die auch flüchtig und leicht verdampfbar ist. Somit ist eine Inhalation zur Aufnahme durchaus möglich. Doch das VG stellt dar, warum dies konkret wenig plausibel erscheint:
- Das Öl ist praktisch wasserunlöslich.
- Das in der Amphetaminbase enthaltene Amin hat einen penetranten Geruch.
Vor dem Hintergrund muss man sich schon deutlich positionieren und das Gericht macht deutlich, woran es hier scheiterte:
Eine plausible Erklärung dafür, wie es ihrer Bekannten gelungen sein soll, Amphetaminbase in Wasser zu lösen, ist die Antragstellerin schuldig geblieben. Sie hat lediglich erklärt, dass sie den penetranten Geruch des Amins nicht habe wahrnehmen können, weil sie ja einen Schnupfen gehabt habe. Dieser Einwand ist schon für sich genommen nicht plausibel, wenn man sich einmal vor Augen führt, dass Amin als Abkömmling des Ammoniaks (NH3) einen ganz besonders intensiven Geruch verbreitet, nämlich von „Fisch, der zu verwesen beginnt“.
Die Klagen gegen den Entzug der Fahrerlaubnis dürfen vom Anspruch her nicht unterschätzt werden. So sehr das Bedürfnis der Betroffenen nach dem Erhalt des Führerscheins nachvollzogen werden kann, muss ein geübter Anwalt genau einschätzen, wann durch eine solche Klage nicht nur Geld sondern auch Zeit verloren gehen. Gerade bei Umgang mit Drogen muss sehr genau abgewägt werden, ob der harte Rat, sich auf eine zeitnahe Wiedererteilung zu konzentrieren, nicht am Ende der bessere ist.
Jens Ferner
RechtsanwaltKonsumerfahrung wird berücksichtigt
Was ebenfalls gerne unterschätzt wird, ist die indizielle Berücksichtigung von eigener Konsumerfahrung. Wer etwa schon Umgang mit Drogen hatte – was der Akte regelmäßig zu entnehmen sein wird – muss erklären, warum er nicht bemerkt haben will Drogen zu konsumieren. Und insbesondere können Gesamtumstände die Meinung der Richter ganz erheblich beeinflussen, wie diese Zeilen zeigen:
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, erweckt der unbestrittene Umstand, dass die Antragstellerin am Vorfallstag zusätzlich noch einen Joint geraucht hat, den Eindruck, dass die Antragstellerin sich mit Cannabis vom Amphetamin „runtergeraucht“ hat und damit als besonders erfahren im Umgang mit Drogen anzusehen ist.
In der Tat muss man halt immer werten, wenn ich etwa lese, dass im Januar 2020 – mithin 3 Monate vor dem Urteil – ein Bericht über ein Nasenspray erschien, mit dem (erstmals!) vorsätzlich jemandem unwissentlich Amphetamin verabreicht wurde. Aber hier war es bereits so, dass die betroffene Person das sofort merkte und deswegen die Polizei informierte.
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