Einziehung und Verhältnis von kumulativer Freiheits- und Geldstrafe

Ein Angeklagter hatte über Monate gefälschte Impfnachweise verkauft und sich damit einen beträchtlichen Gewinn verschafft. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn wegen Urkundenfälschung in 85 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und verhängte daneben eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen. Außerdem ordnete es die Einziehung des Erlöses in Höhe von rund 15.800 € an.

Die Staatsanwaltschaft beanstandete, dass das Gericht Freiheits- und Geldstrafe kumulativ verhängt hatte, obwohl der unrechtmäßig erlangte Gewinn bereits durch Einziehung abgeschöpft wurde.

Kernaussage des BGH

Der BGH (3 StR 405/24) stellt zunächst klar, dass § 41 StGB grundsätzlich erlaubt, neben einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe zu verhängen, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert hat. Diese sogenannte „kumulative Bestrafung“ soll insbesondere gewinnorientierte Straftäter spürbar treffen — sowohl an ihrer Freiheit als auch an ihrem Vermögen.

ABER: Seit der Reform der Vermögensabschöpfung (2017) ist durch das Gericht dem Täter unrechtmäßig erlangtes Vermögen zwingend wegzunehmen (§§ 73 ff. StGB – sogenannte “Einziehung”). Ist der Gewinn damit bereits entzogen, verliert die zusätzliche Geldstrafe vielfach ihre praktische Funktion: Sie soll ja gerade einen Vermögensnachteil schaffen, der ohne Einziehung gar nicht mehr nötig ist.

Ergebnis: Keine doppelte Sanktion ohne Begründung

Der BGH betont, dass Einziehung und kumulative Geldstrafe unterschiedliche Zwecke haben:

  • Die Einziehung ist keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art — sie soll unrechtmäßige Vorteile neutralisieren („Rückgabe an die Allgemeinheit“).
  • Die Geldstrafe nach § 41 StGB ist dagegen ein zusätzliches Strafübel, um spezial- und generalpräventiv zu wirken.

Daraus folgt:

  • Die Einziehung schließt eine zusätzliche Geldstrafe nicht automatisch aus.
  • Aber: Das Gericht muss im Einzelfall prüfen, ob die doppelte Belastung (Entzug des Gewinns + Geldstrafe) wirklich noch verhältnismäßig und notwendig ist.
  • Fehlt eine sorgfältige Begründung, ist die kumulative Bestrafung rechtsfehlerhaft.

Im vorliegenden Fall fehlte eine tragfähige Begründung völlig. Zudem lebte der Angeklagte in prekären Verhältnissen und befand sich in Privatinsolvenz — die Geldstrafe war daher für ihn existenziell belastend, ohne dass das Gericht dies ausreichend bedacht hatte.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Die Einziehung dient der Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne, die Geldstrafe nach § 41 StGB der erzieherischen und abschreckenden Bestrafung. Beides darf zusammen nur angeordnet werden, wenn es sachlich gerechtfertigt ist. Der BGH stärkt mit diesem Urteil das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und fordert eine sorgfältige Begründung für jede Doppelbelastung des Täters.

Bedeutung für die Praxis

Mit dieser Entscheidung macht der BGH deutlich:

  • Gerichte dürfen nicht schematisch Freiheits- und Geldstrafe kombinieren, wenn der unrechtmäßige Gewinn bereits durch Einziehung entzogen wird.
  • Sie müssen konkret darlegen, warum die zusätzliche Geldstrafe ausnahmsweise erforderlich ist.
  • Die bloße Tatsache der Bereicherung reicht als Begründung nicht aus — es bedarf einer Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Täters.
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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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