BGH zur fehlenden Unterscheidungskraft von Internetdomains im Handelsregister: Mit seinem Beschluss vom 11. März 2025 (Az. II ZB 9/24) hat der Bundesgerichtshof eine aufsehenerregende Entscheidung zur firmenrechtlichen Zulässigkeit von Domainnamen gefällt. Im konkreten Fall verweigerte das Registergericht die Eintragung einer Aktiengesellschaft unter der Firma „v.[Gattungsbegriff].de AG“ – und erhielt sowohl vom Kammergericht Berlin als auch nun vom BGH Rückendeckung.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Internetpräsenzen und deren formale Eindeutigkeit nicht ohne Weiteres zur Individualisierung im firmenrechtlichen Sinne genügen. Es bedarf eines eigenständigen Maßstabs, der auf Unterscheidungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr abstellt – nicht auf technische Alleinstellung im Internet.
Ausgangspunkt: Die Firma als rechtlicher Identitätsanker
Die Firma eines Kaufmanns – oder wie hier einer Aktiengesellschaft – ist nicht bloß eine Namenshülse, sondern ein zentrales Identitätsmerkmal im Geschäftsverkehr. § 18 Abs. 1 HGB verlangt, dass sie zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet und von hinreichender Unterscheidungskraft ist. Diese Anforderung soll verhindern, dass Verwechslungen entstehen oder wettbewerbsrechtlich problematische Schutzmonopole auf allgemeine Begriffe gelegt werden. Dabei gilt der Grundsatz: Was die Öffentlichkeit als Gattungsbezeichnung oder rein beschreibende Angabe wahrnimmt, darf nicht exklusiv verwendet werden – selbst wenn dies technisch, etwa durch eine Domainregistrierung, möglich wäre.
Die Besonderheit des Falls: Domainendung als Individualisierungsmerkmal?
Die Antragstellerin wollte sich als „v.[Gattungsbegriff].de AG“ ins Handelsregister eintragen lassen. Ihr Argument: Da es nach den Regeln der Denic eG nur eine Domain mit genau dieser Schreibweise geben könne, sei die Alleinstellung technisch garantiert – und damit die Unterscheidungskraft im Ergebnis gewährleistet. Dem hielt das Registergericht entgegen, dass weder der Gattungsbegriff in der Second-Level-Domain noch die Toplevel-Endung „.de“ eine ausreichende Individualisierung darstellten. Das Kammergericht bestätigte diese Auffassung – und der BGH folgte nun ausdrücklich.
Die zentrale Überlegung: Die Unterscheidungskraft einer Firma muss sich nicht aus technischen Registern ergeben, sondern aus ihrer Wirkung im allgemeinen geschäftlichen Verkehr. Domainnamen – und insbesondere die Toplevel-Domain – werden vom Verkehr nicht als prägende Bestandteile wahrgenommen, sondern lediglich als Zugangsmerkmal zur Onlinepräsenz. Gerade die Tatsache, dass dieselbe Second-Level-Domain mit verschiedenen Endungen (z. B. .de, .com, .net) existieren kann, verdeutlicht, dass der Schutz nicht hinreichend weit reicht.
Dogmatischer Maßstab: Gattungsbegriff bleibt Gattungsbegriff
Der BGH betont, dass eine Bezeichnung, die ausschließlich aus einem nicht unterscheidungskräftigen Gattungsbegriff und einer generischen Domainendung besteht, die Anforderungen des § 18 Abs. 1 HGB nicht erfüllt. Die Top-Level-Domain verleiht der Firma kein eigenes, prägendes Gepräge, das zur individuellen Identifizierung geeignet wäre. Der Verkehr versteht unter einer Domain wie „[Begriff].de“ nicht das Unternehmen selbst, sondern schlicht die Internetadresse, unter der dieses erreichbar ist. Für das Handelsregister aber genügt diese Wahrnehmung nicht. Die Eintragungsfähigkeit verlangt eine echte Namensfunktion – und diese kann eine bloße Internetadresse, die auf einem Gattungsbegriff basiert, nicht leisten.
Zudem verweist der BGH auf das berechtigte Freihaltebedürfnis: Andere Unternehmen desselben Geschäftszweigs dürfen nicht daran gehindert werden, ähnliche oder gleichlautende Bezeichnungen zu verwenden – insbesondere dann nicht, wenn diese den sachlich-inhaltlichen Gegenstand ihres Tuns beschreiben. Ein exklusives Registerrecht auf allgemeine Branchenbegriffe ist mit der Systematik des Firmenrechts unvereinbar.
Schutzrechte im Überblick
Wir beraten rund um Schutzrechte, speziell bei Geschäftsgeheimnissen, im Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Markenrecht – dabei unterstützen wir Unternehmen bei der Rechtsdurchsetzung und Verteidigung ihrer Schutzrechte, speziell beim Schutz von Technologien wie Software.
Urheberrecht
Durch das UrhG werden eigene Schöpfungen geschützt (keine Ideen)
- Schutz von Werken
- persönliche geistige Schöpfung
- Schutz von konkreter Ausdrucksform, aber kein Schutz gegen parallele Schöpfungen
Markenrecht
Schutz von Kennzeichen zur Abgrenzung von Waren oder Leistungen
- Schutz der Unterscheidungsfunktion von Kennzeichen
- Unterscheidungskraft ist nötig
- Schutz gegen unbefugte Nutzung der Marke
Design
Schutz äußerlicher Erscheinung, primär nach Designrecht, aber auch nach Wettbewerbsrecht
- Es wird die 2D/3D Form eines Objekts oder eines Teils davon bzw. seiner Dekoration geschützt
- Eigenart und Neuheit des Designs sind nötig
- Schutz des ausschließlichen Rechts der Benutzung inkl. Herstellen und Inverkehrbringen
- Im UWG nach §4 Nr.3 UWG
Geheimnisschutz
Schutz wertvoller Informationen eines Betriebes
- Schutz von Information mit Wert, die nicht allgemein bekannt ist
- Nötig sind wirtschaftlicher Wert, Schutzmaßnahmen und berechtigtes Interesse
- Schutz gegen unbefugte Verbreitung oder Erlangung der Information
Patent
- Schutz einer Erfindung
- Es muss sowohl eine “Erfindung” im juristischen Sinne aber auch als Neuheit vorliegen
- Umfassender Schutz gegen jegliche Nutzung
Keine Berufung auf vergleichbare Eintragungen
Die Antragstellerin verwies auf andere im Handelsregister eingetragene Unternehmen, deren Firmen ebenfalls aus Domainnamen mit Gattungsbegriffen bestehen. Doch der BGH erteilt dem Gleichbehandlungsargument eine klare Absage. Das Registergericht sei nicht an frühere Eintragungen gebunden – insbesondere dann nicht, wenn sie rechtsfehlerhaft erfolgt seien. Ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ existiert nicht. Vielmehr ist jede Firmeneintragung eigenständig und rechtskonform zu prüfen.
Die Entscheidung ist nicht nur formal korrekt, sondern auch wirtschaftspolitisch klug: Sie schützt die Offenheit des Marktes, wahrt die Wettbewerbsneutralität und verhindert, dass der Anschein technischer Exklusivität zu einem unzulässigen Monopol auf Begrifflichkeiten führt, die allen offenstehen sollten. Damit bleibt das Firmenrecht ein Bollwerk gegen sprachliche Vereinnahmung – auch und gerade im digitalen Zeitalter.
Ergebnis
In seiner Abschlussbewertung bestätigt der BGH, dass der firmenrechtliche Maßstab für Unterscheidungskraft nicht mit der technischen Exklusivität einer Internetdomain verwechselt werden darf. Ein Gattungsbegriff bleibt ein Gattungsbegriff – auch wenn er unter „.de“ geführt wird. Die Entscheidung schafft dringend benötigte Klarheit für die Praxis der Unternehmensgründung im digitalen Raum: Wer sein Unternehmen mit einem rein beschreibenden Domainnamen benennen will, muss sich darauf einstellen, dass dieser im Handelsregister nicht eingetragen wird – es sei denn, er wird durch unterscheidungskräftige Zusätze ergänzt.
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