Die Zukunft des IT-Rechts

Europa hat derzeit keinen leichten Stand – auch in neuen Technologien hat man in Europa (auch in Deutschland) zu lange verschlafen, was an weltweiter Entwicklung frühzeitig abzusehen war. Inzwischen, so eine hierzulande kaum beachtete Studie von McKinsey, hat man gewissermaßen überall den Anschluss an die USA und verloren.

Technologien der Zukunft

Was die Technologien der Zukunft sind, listet die McKinsey-Studie in der Darstellung Nr.4 sehr ausführlich auf:

  • Prozessautomatisierung: Industrielle, kollaborative und professionelle Roboter; 3D-Druck; Virtualisierung
  • Zukunft der Konnektivität: 5G, Internet der Dinge
  • Dezentralisierte Infrastruktur: Cloud und Edge Computing
  • Next-Gen Computing: Quantum Computing, Neuromorphic Software
  • Angewandte KI: robotergestützte Prozessautomatisierung, optimierte Entscheidungsfindung, Verarbeitung natürlicher Sprache, computerbasiertes Sehen, Sprachtechnologie
  • Zukunft des Programmierens: Software 2.0, No-Code- und Low-Code-Programmierung
  • Sicherheitsarchitektur: , Zero-Trust-Sicherheitsmodelle bzw. Cybersecurity
  • Moderne Biowissenschaften: Biomoleküle, Biosysteme, Bio-Machine-Interfaces, Biocomputing
  • Next-Gen Materialien: Nanomaterialien, Verbundwerkstoffe, Halbleiter
  • Moderne Umwelttechnologien: Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft, Atomkraft, Elektrofahrzeuge,

Die Studie untersucht dabei die Positionierung Europas im weltweiten Vergleich in den jeweiligen Bereichen Innovation, Produktion und Nutzung; vereinfacht kommt man zu dem Ergebnis, dass lediglich in den Bereichen Materialstoffe und Umwelttechnologien ein echter Vorsprung besteht, im Übrigen bestehen teilweise eklatante Rückstände.

Man mag überlegen, ob der europäische Ansatz des „Regulation before Innovation“ möglicherweise mit ein Problem darstellt; oder ob die zumindest in Deutschland im öffentlichen Dienst nicht weg zu diskutierenden verkrusteten Strukturen und ein zu oft rückständiges Denken mitverantwortlich sind – jedenfalls drängt sich auf, dass dringend etwas passieren muss. Wer die McKinsey-Studie durcharbeitet (etwa hier im ManagerMagazin aufbereitet), dem wird durchaus übel bei der Frage, wie man sich in Europa die Zukunft vorstellt.

Die Wege der EU

Die EU hat sich zu der Thematik – kurz nach der McKinsey-Studie – postiert, dies in Form einer Innovationsagenda. Dabei hat man zumindest im Abstrakten sehr deutlich vor Augen, wo es in der EU in den nächsten Jahrzehnten haken wird:

Die Zukunft des IT-Rechts - Rechtsanwalt Ferner
Quelle: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/srip/2022/ec_rtd_srip-2022-report-infographic.pdf

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass man über das Abstrakte nicht hinauskommt, wobei die ganz erheblichen Baustellen im EU-Schaubild ästhetisch pointiert sind. Wenn man sich das Executive Summary ansieht, stellt man dann fest, dass über gemeinhin bekannte Erkenntnisse und Allgemeinplätze recht wenig zu finden ist. Von mehr Vernetzung und Synergien ist die Rede, zumindest erkennt man aber auch, dass das überkommene Modell von Finanzierung und Regulation in der EU (endlich) auf den Prüfstand gehört (dazu auf Seite 17).

Das Ergebnis bleibt ansonsten ein seit Jahrzehnten schon sichtbarer Stillstand: Wir sind auch im technologischen Fortschritt zu sehr verhaftet in der ständigen Angst vor einem Missbrauch. Beispielhaft sei der Umgang mit der Zukunftstechnologie „Blockchain“, wo man wieder aus Angst vor Missbrauch und Terror im Keim durch Regulation erstickt, was in anderen Regionen der Welt erst einmal in Ruhe weiter entwickelt wird. Dass ausgerechnet in der Software-Sparte Europa kein Bein an die Erde bekommt, muss Sorgen machen. Wir wollen das öffentliche Leben vollständig digitalisieren und scheitern an brauchbarer PDF-Software; zugleich schimpfen wir über den Fachkräftemangel, haben aber in Deutschland immer noch die gelebte Vorstellung, dass man nach einer abgeschlossenen Ausbildung sein (Berufs-)Leben lang nichts anderes mehr macht. Dass ein erheblicher Teil unserer Baustellen hausgemacht sind, springt einen durchaus an, wenn man einmal hinsieht.

Wo liegt die Zukunft im Technologierecht?

Ich tippe darauf, dass das Produkthaftungsrecht in der EU das neue Technologierecht wird. Es bietet sich an, um einen möglichst großzügigen Rahmen zu schaffen und dabei an dem hergebrachten Haftungskonzept festzuhalten. Gleich ob Software, neuartige Lebensmittel oder moderne Verbundstoffe: Das Produkthaftungsrecht ist die allen Themengebieten immanente Schnittstelle, mit dem eine grundsätzliche Haftung (nach unserem Rechtssystem die Gewähr von Sicherheit) geregelt werden kann, um Hersteller bzw. Importeure in die Verantwortung zu ziehen. Bisher eher etwas im Schatten stehend bietet sich hier ein genereller Hebel, über den die EU mit wenigen Handgriffen steuern kann. IT- und Technologiejuristen werden ein Auge darauf haben.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.