BGH zur Beihilfe eines Arbeitnehmers zur Untreue: Wenn die Abfindung teuer wird

Mit Beschluss vom 25. März 2025 (4 StR 357/23) hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung gefällt, die Arbeitgebern im öffentlichen Dienst wie privaten Unternehmenslenkern gleichermaßen eine unmissverständliche Botschaft vermittelt: Eine exorbitant hohe Abfindung kann nicht nur Haushaltsmittel belasten, sondern unter Umständen strafrechtlich relevant sein — auch für den Arbeitnehmer, der sie entgegennimmt.

Der Hintergrund: Viel Geld für wenig Grund

Was war geschehen? Ein Verwaltungsangestellter der Stadt Iserlohn stritt sich mit Vorgesetzten, es gab Meinungsverschiedenheiten über ein neues Schichtmodell — also im Grunde alltägliche innerbetriebliche Reibereien. Um den Unfrieden zu beseitigen, bot die Stadt dem Mitarbeiter eine Abfindung von 250.000 €, verbunden mit einer rund siebenmonatigen bezahlten Freistellung. Am Ende flossen sogar gut 264.800 €. Für jemanden, dessen reguläres Tarifgehalt bei etwa 3.700 € brutto lag, ein gewaltiger Schritt nach oben auf der Gehaltsleiter — mit nur einem Federstrich.

Zivilrechtlich: Rückforderung gescheitert

Die Stadt versuchte später, das Geld zurückzuholen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht stritten sich um die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Das LAG Hamm urteilte am Ende: Der Vertrag bleibt wirksam. Fehler bei der Anhörung des Personalrats? Ja. Aber auf solche Versäumnisse könne sich die Stadt nicht berufen, weil sie selbst verantwortlich dafür war. Auch der Umstand, dass eine Abfindung außergewöhnlich hoch ausfällt, macht sie arbeitsrechtlich nicht automatisch nichtig. Für die Ziviljuristen hieß es also: pacta sunt servanda — der Deal gilt.

Strafrechtlich: Untreue und Beihilfe

Ganz anders sah es strafrechtlich aus. Hier griff das Landgericht Hagen durch: Der Personalchef wurde wegen Untreue verurteilt, der Angestellte selbst wegen Beihilfe. Warum? Nach Auffassung der Strafkammer war dem Mitarbeiter klar, dass für die Stadt keine ernsthafte Veranlassung bestand, ihn gegen eine solche Summe zu entlassen. Seine Leistung war beanstandungsfrei, er war kein „Störenfried“. Mit anderen Worten: Für die Kommune gab es keinen wirtschaftlichen Grund, den Arbeitsplatz aufzugeben und dafür ein Viertel Million Euro aus der Stadtkasse zu versenken. Die Richter sahen daher eine Verletzung der haushaltsrechtlichen Pflicht zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit:

Das Merkmal der Verletzung einer Pflicht zur Wahrnehmung und Betreuung fremder Vermögensinteressen knüpft an außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter im Einzelnen gestalten und so erst den Inhalt der – strafbewehrten – Pflicht und die Maßstäbe für deren Verletzung festlegen (…). Einen solchen untreuerelevanten Maßstab stellt das den gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltung überspannende haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dar (…).

Diesen Grundsatz hat der nordrheinwestfälische Gesetzgeber für die kommunale Haushaltswirtschaft in § 75 Abs. 1 S. 2 GO NRW normiert. Den Grundsatz, dass der Staat nichts „verschenken“ darf, müssen alle staatlichen und kommunalen Stellen beachten. Eine strafrechtlich relevante Schädigung der zu betreuenden Haushaltsmittel kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ohne entsprechende Gegenleistung Zahlungen erfolgen, auf die im Rahmen vertraglich geregelter Rechtsverhältnisse ersichtlich kein Anspruch besteht (…).

Bei der praktischen Umsetzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit- und Sparsamkeit muss aber schon wegen der sachbedingten Schwierigkeiten einer Erfolgskontrolle den einzelnen Verwaltungsträgern bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme ein Rahmen belassen werden, der durch das Selbstverwaltungsrecht noch verstärkt wird (…). Eine Untreuestrafbarkeit kommt nur bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. Das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stellt nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (…).

Regelmäßig liegt eine pflichtwidrige Verletzung des Sparsamkeitsgebots erst vor, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt wird (…). Eine strafrechtlich relevante pflichtwidrige Schädigung kann bei der Zahlung einer Abfindung gerade dann zu verneinen sein, wenn bei einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen der Stadt als Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Stadt zu höheren Zahlungen als die gewährte Abfindung ohne adäquate Gegenleistung verpflichtet gewesen wäre (…).

Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein solcher evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß hier vor. Die Vereinbarung und Auszahlung einer Abfindung in Höhe von 250.000 € zugunsten des Angeklagten J. zu Lasten der Stadt Q. ist eine sachlich in keiner Weise gerechtfertigte und völlig unangemessene Leistung. Sie ist mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar. Es liegen – auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums und des Selbstverwaltungsrechts – keine Gesichtspunkte vor, die eine anderweitige Beurteilung zuließen. Mit der Abfindungszahlung sollte das Einverständnis des Angeklagten J. dahingehend erkauft werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Wie bereits dargelegt, lagen keine Umstände vor, die das Ziel, sich von dem Angeklagten J. arbeitsrechtlich zu trennen, überhaupt legitimiert hätten, geschweige denn das Ansinnen, dieses Ziel auch unter Inkaufnahme erheblicher finanzieller Aufwendungen zu erreichen.

Der Angestellte wusste das aus Sicht des Gerichts und nahm das Geld trotzdem. Für die Justiz war damit der Tatbestand der Beihilfe zur Untreue erfüllt. Die Einziehung der Abfindung wurde obendrauf angeordnet. Der BGH hat diese Linie nun ausdrücklich bestätigt: Die Revision wurde verworfen, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung abgesehen. Für den Mitarbeiter bleibt damit nicht nur eine empfindliche Geldstrafe, sondern vor allem die Rückzahlung des Geldes.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Die Entscheidung führt in ein Spannungsfeld aus Arbeitsrecht, Strafrecht und Haushaltsdisziplin. Einerseits mahnt sie zu Achtsamkeit, andererseits dokumentiert sie, dass auch ein arbeitsrechtlich wirksamer Aufhebungsvertrag nicht gegen strafrechtliche Sanktionen immun ist. Dabei ist dies kein Einzelfall: In jüngerer Vergangenheit habe ich mehrere Fälle verteidigt, in denen es um die strafrechtliche Relevanz schwer nachvollziehbarer Zahlungen ging – ob diese durch einzelne Personen oder gleich einen ganzen Vorstand verantwortet wurden, spielt für die Staatsanwaltschaft dabei keine Rolle. Deutlich wird jedenfalls, dass arbeitsrechtliche Entscheidungen schnell strafrechtliche Relevanz haben können – und Strafgerichte ihr eigenes Süppchen kochen.

Das klügere Landgericht …

Mit der bei Strafkammern nicht selten anzutreffenden Arroganz stellte man beim Landgericht am Rande fest, dass die Richter beim Landesarbeitsgericht den Fall nicht verstanden hatten (immerhin auf Ebene eines OLG angesiedelt) und stellte fest:

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts. Entgegen der Ansicht der Verteidigung hindert dessen Rechtskraftwirkung die hiesige Kammer nicht an einer Verurteilung des Angeklagten J.. Die tatsächlichen Feststellungen zivilrechtlicher Urteile – und damit die Frage, ob der Angeklagte J. die Pflichtverletzung des Angeklagten T. und des früheren Mitangeklagten F. erkannte – sind bloße Vorfragen und erwachsen nicht in Rechtskraft (…).

Im Übrigen ordnet das Landesarbeitsgericht nach Auffassung der Kammer die für die Beurteilung des Vorsatzes relevanten Umstände falsch ein. Der Umstand, dass allen am Auflösungsvertrag beteiligten Personen bekannt war, dass es keinerlei Gründe gab, die eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses mit dem Angeklagten J. gerechtfertigt hätten, spricht nicht gegen, sondern im Gegenteil dafür, dass der Angeklagte die Pflichtverletzung des Angeklagten T. erkannte.

Angesichts des Umstands der absolut beanstandungsfreien Arbeitsleistung des Angeklagten J. ist auch nicht nachvollziehbar, dass das Landesarbeitsgericht eine Abfindung von 1,4 Millionen Euro als zulässige Höchstgrenze und damit Referenzsumme festlegen will, welche letztlich auch für die Beurteilung des Vorsatzes von Bedeutung ist. Dies wäre nur dann nachvollziehbar, wenn der Angeklagte J. eine absolute Nichtleistung erbracht hätte. Da dies nicht der Fall war, wäre als übliche Abfindungssumme die Regelabfindung als Maßstab heranzuziehen gewesen, welche exorbitant überstiegen wurde, was wiederum für den Vorsatz des Angeklagten J. spricht, zumal es angesichts des nicht zu beanstandenden dienstlichen Verhaltens des Angeklagten J. überhaupt keinen Anlass für eine Kündigung und die Zahlung einer Abfindung gab.

Nun ist es richtig, dass es keine Bindungswirkung gibt – ob aber eine Strafkammer in der Lage ist, die komplexen rechtlichen Besonderheiten im Arbeitsrecht richtig einzuordnen darf man durchaus bezweifeln – die Rechtsprechung zum Thema hatte das LAG korrekt dargestellt und auch die Obergrenze im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung festgestellt. Vielmehr dürfte hier der übliche Sozialneid im Strafrecht eine Rolle gespielt haben. Und auch wenn der BGH die Entscheidung gehalten hat, wobei die “Schweinehundtheorie” vielleicht eine Rolle gespielt haben mag: Man mag die Untreue des Personalverantwprtlichen noch begründen können; wo aber die Beihilfe des Angestellten herkommen soll erschliesst sich auf Anhieb nicht. Rechtssicherheit jedenfalls sieht anders aus.

Bedeutung für die Praxis: Keine Luxusabfindung ohne Substanz

Für das Management — ob in kommunalen Betrieben, Konzernen oder mittelständischen Unternehmen — liefert der Fall eine klare Lehre: Wer eine Abfindung jenseits der üblichen Parameter aushandelt oder genehmigt, muss das mit guten Gründen unterlegen können. Ein bloßes „man wollte halt Ruhe“ trägt nicht. Gerade im öffentlichen Sektor greift das Haushaltsrecht verschärfend ein; der Staat darf nichts „verschenken“. Wer sich hier über die Grundsätze ordnungsgemäßer Mittelverwendung hinwegsetzt, riskiert nicht nur zivilrechtliche Rückabwicklung, sondern auch den Besuch der Staatsanwaltschaft.

Auf Arbeitnehmerseite mag die Versuchung groß sein, ein solches Angebot als „unverhofften Segen“ zu akzeptieren. Doch spätestens jetzt steht fest: Auch der Empfänger kann strafrechtlich belangt werden, wenn er erkennt, dass hier mit öffentlichem Geld Schindluder getrieben wird. So etwas lässt sich nicht mit der Devise „Augen zu und Konto auf“ rechtfertigen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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