BGH zum IT-Strafrecht: Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheides zu nicht-existenter Forderung ist Computerbetrug

Der nach nunmehr wohl abschliessend die Möglichkeit einer Strafbarkeit bei der Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheides zu einer tatsächlich nicht existierenden Forderung geklärt.

Zum Hintergrund: Das Mahnverfahren in Deutschland ist automatisiert und stellt keine inhaltliche Prüfung dar. Vielmehr muss der Anspruchsteller lediglich das Formular für den Erlass eines Mahnbescheides korrekt ausfüllen und hier auch seine Forderung bezeichnen. Die Kontrolle des zuständigen Mahngerichts geht alleine dahin, ob das Formular korrekt ausgefüllt wurde – falls ja, wird der Mahnbescheid versendet. Da es hier sehr leicht ist, gerichtlichen Schutz zu erlangen, ist es ebenso leicht, sich zu wehren – ein Kreuzchen bei „Widerspruch“ genügt und die Angelegenheit ist (erst einmal) beendet, der Ball liegt wieder beim Anspruchsteller.
Leider, das zeigt auch meine Erfahrung, gibt es mitunter „dubiose Anbieter“ von „Dienstleistungen“, bei denen man den Verdacht hat, dass Sie einen Mahnbescheid nur erwirken, in der Hoffnung der Gegner wehrt sich nicht – um so dann sehr leicht zu einem Titel zu kommen, aus dem vollstreckt werden kann. Hier stellt sich dann die Frage der Strafbarkeit.

Der Bundesgerichtshof unterscheidet nunmehr sauber danach, ob der Mahnantrag auch wirklich von einem Rechtspfleger bearbeitet wurde oder vollkommen automatisiert (also eine Maschine die „Prüfung“ vornimmt).

1. Prüfung durch Rechtspfleger
Wenn tatsächlich ein Rechtspfleger den Antrag prüft, soll bei bewusster Angabe falscher Daten ein vorliegen, das hat Bundesgerichtshof (4 StR 491/11, hier bei uns) bereits vor einiger Zeit klargestellt und sollte nicht überraschend sein. Allerdings ist heute grundsätzlich von einer automatisierten Bearbeitung auszugehen.

2. Automatisierte „Prüfung“
Auch den Fall der automatisierten Prüfung hat der Bundesgerichtshof (4 StR 292/13) nun geklärt: Hier soll ein anzunehmen sein:

Wird im automatisierten Mahnverfahren eine fiktive Forderung geltend gemacht, liegt darin ein täuschungsäquivalentes Verhalten […] da bei gleichem Vorgehen gegenüber einem Rechtspfleger ein Vorspiegeln von Tatsachen im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB (falsche Behauptung eines Sachverhaltes, aus dem sich die angebliche Forderung ergeben soll) anzunehmen wäre. […]
Aus dem Umstand, dass das Gericht im Mahnverfahren die inhaltliche Berechtigung des Anspruchs nicht prüft (vgl. § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), ergibt sich nichts anderes. Im Gegensatz zum Vollstreckungsverfahren dient das Er- kenntnisverfahren der Überprüfung der Berechtigung der geltend gemachten materiellen Forderung. Während der Rechtspfleger im Vollstreckungsverfahren nicht zur Prüfung der titulierten Forderung berechtigt ist, müsste er im Erkennt- nisverfahren bei Kenntnis der Nichtexistenz der geltend gemachten Forderung den Erlass eines Mahn- oder Vollstreckungsbescheids ablehnen

Dabei ist das Zitat des letzten Absatzes besonders wichtig, denn es zeigt auch einen Umkehrschluss: Im Vollstreckungsverfahren kommt alleine auf Grund der Vollstreckung aus dem dann vorliegenden Titel keine Strafbarkeit mehr in Betracht! Dies hat der BGH in benannter Entscheidung auch ausdrücklich klargestellt, seine Argumentation dabei geht dahin, dass davon auszugehen ist,

[…] dass bei der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Bestand der titulierten Forderung kein Gegenstand der Kommunikation zwischen dem Antragsteller und dem Rechtspfleger ist.

Aber es gibt eine Änderung, insoweit sehe ich mich mit meiner Kritik an der früheren Rechtsprechung (Beispielhaft zum OLG Celle hier) bestätigt:

Die weiteren Voraussetzungen des § 263a StGB liegen vor. Der vermögensrelevante Datenverarbeitungsvorgang wirkte sich unmittelbar vermögensmindernd aus […] denn schon durch die Erwirkung des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides wurde das Vermögen […] vermindert […] Dass es noch der Zustellung dieses Bescheides bedurfte, ändert daran nichts, weil es sich dabei lediglich um die Umsetzung des Ergebnisses des Datenverarbeitungsvorgangs ohne inhaltliche Kontrolle handelt […]

So wie bei BGH, 4 StR 491/11, ging es hier im Sachverhalt um letztlich zugestellte Vollstreckungsbescheide und nicht nur erlassene Mahnbescheide. Der BGH stellt m.E. an dieser Stelle klar, dass sich der VB unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, was ich ebenso sehe. Der reine beantragte Mahnbescheid dagegen, gegen den Widerspruch eingelegt wird, kann dies aber nicht sein – hier wäre höchstens von einem Versuch zu sprechen. Der Leitsatz der benannten Entscheidung ist insofern missverständlich formuliert, wenn dort zu lesen ist

Die Beantragung eines Mahn- und eines Vollstreckungsbescheides im automatisierten Mahnverfahren auf der Grundlage einer fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung stellt eine Verwendung unrichtiger Daten im Sinne des § 263a Abs. 1, 2. Var. StGB dar.

Der Schwerpunkt liegt hier auf dem „und“, er ist so zu lesen, dass beides kumulativ notwendig ist und gerade der Mahnbescheid alleine nicht ausreicht.

3. Fazit
Die Entscheidung fügt sich in eine Reihe weiterer Entwicklungen. Barsche Inkassoschreiben werden zunehmend sensibel als „“ eingestuft, die „Drohung mit der Schufa“ ebenso (und ist zudem je nach Einzelfall wettbewerbswidrig). Nunmehr eröffnet sich auch die Strafbarkeit bei vorsätzlich falsch beantragten Mahnbescheiden bzw. Vollstreckungsbescheiden. Auf der einen Seiten wichtiger Gegenwind für Betrüger, auf der anderen Seite eine gefährliche Gratwanderung für Inkassodienstleister. Dabei zeigt sich, dass es durchaus auf Details ankommen kann, wenn etwa zwischen Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid und tatsächlicher Vollstreckung unterschieden wird.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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