Aktuelle Entwicklungen im Arztstrafrecht

Das Arztstrafrecht ist ein facettenreiches Rechtsgebiet, das sich stetig weiterentwickelt. Für Ärzte ist es von entscheidender Bedeutung, über die neuesten Entwicklungen und Entscheidungen informiert zu sein, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden. Im Jahr 2023 gab es zahlreiche relevante Urteile und gesetzliche Änderungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Praxis haben können. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Entwicklungen detailliert vorgestellt.

Körperverletzung durch Heilbehandlung

Ein zentraler Aspekt des Arztstrafrechts ist die strafrechtliche Bewertung ärztlicher Eingriffe ohne wirksame Einwilligung des Patienten. So hat das Landgericht Augsburg in einem aufsehenerregenden Fall einen Anästhesisten verurteilt, der Patienten mit Hepatitis C infizierte, indem er Hygienestandards missachtete (LG Augsburg, Urt. v. 30.6.2023 – 3 KLs 200 Js 137689/18). Der Arzt hatte mehrfach Spritzen verwendet, die er zuvor bei sich selbst benutzt hatte, was zu einer Blut-zu-Blut-Übertragung des Virus führte. Diese Missachtung der Hygienevorschriften wurde als eingestuft.

In einem weiteren Fall hat das Landgericht Kempten einen Augenarzt verurteilt, der trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin Operationen durchführte und dabei Patienten nicht über seine Beeinträchtigungen aufklärte (LG Kempten, Urt. v. 3.7.2023 – 4 Ns 111 Js 10508/14). Der Arzt litt unter einer rechtsseitig armbetonten Hemiparese, die seine Fähigkeit, Operationen fachgerecht durchzuführen, stark einschränkte. Die Verurteilung erfolgte wegen vorsätzlicher in 11 Fällen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung.

Tötungsdelikte

Die Abgrenzung zwischen Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) und Tötungsdelikt (§§ 211 ff., 222 StGB) bleibt ein zentrales Thema im Arztstrafrecht. Der (BGH) hat in einem Fall klargestellt, dass die Geburt und damit der strafrechtliche Schutz des Kindes mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen beginnt (BGH, Beschl. v. 2.11.2023 – 6 StR 128/23). Diese Entscheidung ist besonders relevant für Hebammen und Geburtshelfer, die bei der Begleitung von Geburten stets die strafrechtlichen Rahmenbedingungen beachten müssen.

Ein weiterer Fall betraf einen Notarzt, der zu einem Sturzopfer gerufen wurde, die erlittenen Verletzungen jedoch nicht feststellte und den Patienten nicht in ein Akutkrankenhaus einwies. Der Patient verstarb aufgrund einer nicht erkannten Sprengung der Schambeinfuge (LG Meiningen, Urt. v. 6.9.2023 – 3 Ns 375 Js 2491/17). Das Gericht verurteilte den Arzt wegen fahrlässiger Tötung, da er bei unsicherer Diagnose von der vital bedrohlichsten Verletzung hätte ausgehen müssen.

Abrechnungsbetrug

bleibt ein zentrales Thema im Arztstrafrecht. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem Fall einer Hebamme, die Abrechnungen nicht erbrachter Leistungen gegenüber verschiedenen Krankenkassen vorlegte, die strenge formale Betrachtungsweise des Sozialrechts betont (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 10.8.2023 – 12 KLs 572 Js 178731/17). Die Hebamme hatte Versichertenbestätigungen verwendet, die angeblich blanko von den Versicherten unterschrieben worden waren. Das Gericht entschied, dass ein Schaden in Höhe der abgerechneten Honorarsumme nur dann entstanden ist, wenn Luftleistungen abgerechnet wurden oder ein umfassender Formmangel vorlag.

Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

Im Bereich der im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) hat sich die Rechtsprechung ebenfalls weiterentwickelt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem Fall klargestellt, dass auch faktisch handelnde Angehörige eines Heilberufs, die ohne die notwendige Qualifikation tätig sind, als taugliche Täter angesehen werden können (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 3.5.2023 – 12 KLs 114 Js 10235/20). In diesem Fall ging es um einen Hochstapler, der unter Vorlage gefälschter Unterlagen als Arzt tätig war und dabei Bestechungsgelder annahm. Das Gericht betonte, dass das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen ein überindividuelles Rechtsgut darstellt, welches geschützt werden muss.


Fazit

Die Entwicklungen im Arztstrafrecht im Jahr 2023 zeigen deutlich, dass Ärzte stets über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen informiert sein müssen. Behandlungsfehler, die Missachtung von Hygienevorschriften oder fehlerhafte Abrechnungen können schnell zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Es ist daher unerlässlich, dass Ärzte und ihre Rechtsvertreter die neuesten Urteile und Gesetzesänderungen kennen, um rechtliche Risiken zu minimieren und ihre Patienten bestmöglich zu schützen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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