Was sind allgemeine Geschäftsbedingungen – wann liegen AGB vor?

Wann sind Vertragsbedingungen eigentlich allgemeine Geschäftsbedingungen, die der gesetzlichen Kontrolle unterliegen?

Was sind AGB, wann liegen allgemeine Geschäftsbedingungen vor: Für AGB gibt es im BGB sehr strenge Prüfkriterien zur Frage, ob eine konkret getroffene Regelung zulässig ist oder nicht. Dabei wird zu selten darüber nachgedacht, was überhaupt AGB sind. §305 BGB sagt es scheinbar deutlich:

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.

Und verbreitet ist die Vorstellung davon, dass AGB immer das berühmte „Kleingedruckte“ sind, das man zum „eigentlichen Vertrag“ dazu legt. Aber: Ganz so einfach ist es nicht. Und tatsächlich sind inzwischen mit dem BGH Vertragsbedingungen wohl im Zweifelsfall als AGB anzusehen.

Vorformulierte Vertragsbedingungen

Der kritische Punkt in der Definition des BGB ist das Wort „vorformuliert“. Keineswegs handelt es sich dabei nämlich um eine Begrenzung auf schriftlich fixierte Klauseln, wie man sie im Regelfall vor Augen hat, wenn man an „AGB“ denkt. Vielmehr gehört dazu jegliche vorbereitete Klausel, gleich ob schriftlich fixiert oder nicht. Auch wer bestimmte Klauseln nur im Kopf hat und dann vor Ort handschriftlich beim Abfassen des Kaufvertrages niederschreibt, nutzt am Ende vorformulierte Vertragsbedingungen.

Für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert

Damit wird der Begriff der AGB relativ umfassend, wenn man die gerade grob dargestellten Gedanken der Rechtsprechung konsequent weiterdenkt, besteht faktisch jeder Vertrag nur noch aus AGB. Als begrenzendes Kriterium könnte dann zumindest die Bedingung herhalten, dass die Bedingungen für „eine Vielzahl von Verträgen“ vorformuliert sein muss. Eine solche Vielzahl ist aber mit dem bereits ab einer Zahl von 3 Verträgen anzunehmen.

Dazu kommt noch eine Falle: Es ist objektiv darauf abzustellen, ob die entsprechenden Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt sind – nicht subjektiv. Wer also Klauseln aus dem Internet nutzt, die man alleine für einen Vertrag nutzen möchte, hat dennoch eine Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen, wenn der Ersteller der AGB eben jene Vielzahl vor Augen hatte (dazu diese Entscheidung beachten, die sich mit Kaufverträgen aus dem Internet befasst). Wenn man nun im §305 BGB weiter liest, macht das soweit auch Sinn:

Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Selbst das, was man eigentlich als „Vertragstext“ einstuft – es wird gerne zwischen „Vertrag“ und „AGB“ unterschieden, was letztlich falsch ist – kann als AGB eingestuft werden. Und noch schlimmer: Es wird auch häufig ein gehöriger Teil als AGB bewertet, wovon dann zumindest ein Vertragspartner sehr überrascht ist.

Hinweis: Mit dem Bundesgerichtshof kommt es aber stark darauf an. Wenn etwa eine Privatperson einen vorformulierten Vertrag aus dem Internet für einen Verkauf an eine andere Privatperson nutzt, wobei sich beide Parteien vorher auf dieses Formular einigen, muss keine zwingende AGB-Prüfung stattfinden (dazu hier bei uns).

Individuelles Aushandeln von Vertragsbedingungen

Den Ausweg aus der „AGB-Falle“ bietet scheinbar das Ende des ersten Absatzes im §305 BGB:

Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Es scheint naheliegend zu sein, dass man z.B. seine AGB mitbringt und über jeden einzelnen Punkt einzeln verhandelt. Oder man hat die Formulierungen im Kopf, schreibt sie scheibchenweise während der Vertragsverhandlungen auf und lässt sie so „durchgehen“. Die Überlegung ist naheliegend – aber falsch.

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Wann liegt ein Aushandeln vor?

Der Bundesgerichtshof verlangt, dass man „ernsthaft seine Bedingungen zur Disposition stellt“, um von einem „aushandeln“ zu sprechen. Speziell wenn man einfach nur seine Bedingungen durchspricht (erörtert), ist das kein Aushandeln mehr. Auch der Trick, sich unterschreiben zu lassen, dass alles einzeln ausgehandelt wurde, funktioniert beim BGH nicht. Schlimmer noch: Im Zweifelsfall wertet der BGH einseitig begünstigende AGB als Indiz gegen ein vorgetragenes Aushandeln.

Sehr anschaulich brachte es der Bundesgerichtshof (VII ZR 92/14, vormals ebenso eindrücklich BGH, VII ZR 222/12) zur Frage des Aushandelns so auf den Punkt:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (…) In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (…)“

Man merkt: Heute übliche Verträge wird man schnell umfassend als AGB qualifizieren können – mit der Konsequenz, dass die AGB-Prüfung der §§305ff. BGB eröffnet ist. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko, das Unternehmer bis heute allzu blauäugig eingehen.

Nachträgliche Änderung hilft nicht zwingend

Um es auf die Spitze zu treiben, muss dann auch noch darauf hingewiesen werden, dass mit dem Bundesgerichtshof nicht einmal eine nach Vertragsverhandlungen später tatsächlich geänderte Vertragsbedingung dann keine AGB mehr ist:

„Selbst bei Änderungen des Textes verliert eine Klausel ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertrags- partner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt und den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat und die Parteien auf dieser Grundlage eine Einigung finden, mit der die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wird“

Dies ist sogar gedanklich zwingend, denn die später geänderte Klausel muss nicht zwingend das Ergebnis eines Aushandelns sein, sondern könnte ja ebenfalls nur eine vorformulierte Alternative gewesen sein, die dann eben hilfsweise statt der ersten Variante verwendet wurde.

Vereinbarung des Aushandelns in AGB funktioniert nicht

Übrigens funktioniert es auch nicht, in den Vertrag hinein zu schreiben, dass dieser individuell ausgehandelt sei und keine AGB vorliegen. Durch die Aufnahme einer solchen Klausel ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weswegen der BGH solch ein „vereinbartes Aushandeln“ ausdrücklich ablehnt.

Vertragsbedingungen sind AGB (?)

Letztlich wird man mit der aktuellen Rechtsprechung zu dem ernüchternden Ergebnis kommen, dass nicht nur der Großteil vertraglicher Regelungen als AGB qualifiziert werden – darüber hinaus ist ein „individuelles Aushandeln“ in der Praxis eher schwierig. Teilweise wird es als „geradezu hoffnungslos“ beschrieben, Klauseln hierunter fassen zu wollen (so etwa sehr skeptisch Miethaner in NJW 2010, S. 3121ff.).

Das Ergebnis ist, dass man heute in jedem Vertrag das Problem einer AGB-Kontrolle vor Augen haben muss – und sich insofern auf Risiken einstellen muss. Gerade Laienhafte Unterscheidungen zwischen „dem Vertrag“ und „AGB“ sind nicht nur falsch, sondern darüber hinaus gefährlich, da man sich in der Risiko-Bewertung vollkommen verschätzt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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