Das Amtsgericht München hat am 1. Februar 2023 (Az. 171 C 11188/22) einen Beschluss über die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung gegen die Installation einer Überwachungskamera durch Nachbarn gefasst. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre in nachbarschaftlichen Verhältnissen.
Sachverhalt
Die Parteien des Verfahrens sind unmittelbare Nachbarn und befanden sich seit August 2020 in einem Streit. Im April 2022 stellte die Antragsgegnerin eine Wildkamera auf ihrer Terrasse auf, die von der Terrasse der Antragstellerin aus sichtbar war. Die Antragstellerin dokumentierte die Position der Kamera fotografisch und wandte sich an die Polizei. Nachdem die Polizei keine Handlungsgrundlage sah, forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben auf, die Videoüberwachung zu beenden und die Kamera zu entfernen. Die Antragsgegnerin behauptete, die Kamera diene ausschließlich der Überwachung des eigenen Gartens.
Am 8. August 2022 beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung, die am 12. August 2022 erlassen wurde. Die Antragsgegnerin entfernte die Kamera vor der mündlichen Verhandlung, bestritt jedoch die Notwendigkeit der Verfügung und argumentierte, dass keine Eilbedürftigkeit gegeben sei, da die Antragstellerin die Kamera über mehrere Monate geduldet habe.
Rechtliche Analyse
Das Gericht bestätigte die einstweilige Verfügung und wies den Widerspruch der Antragsgegnerin zurück. Die Entscheidung basierte auf mehreren rechtlichen Erwägungen:
- Verletzung des Persönlichkeitsrechts:
Das Gericht stellte fest, dass die aufgestellte Kamera das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin verletzt hat. Es spielte keine Rolle, ob die Kamera tatsächlich nur den Bereich der Antragsgegnerin erfasst hat. Die bloße Möglichkeit der Überwachung reichte aus, um das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Diese Beurteilung basierte auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16. März 2010 – VI ZR 176/09). - Verfügungsgrund:
Das Gericht sah den Verfügungsgrund als gegeben an. Die Antragstellerin hatte sich von Anfang an gegen die Kamera zur Wehr gesetzt und die Antragsgegnerin war über diesen Umstand informiert. Die Tatsache, dass die Kamera vor der mündlichen Verhandlung entfernt wurde, hob die indizierte Wiederholungsgefahr nicht auf. - Wiederholungsgefahr:
Trotz der Entfernung der Kamera sah das Gericht die Wiederholungsgefahr als gegeben an. Die Antragsgegnerin konnte nicht überzeugend darlegen, dass sie keine weitere Kamera aufstellen würde.
Kritische Betrachtung und Lösungsvorschläge
Diese Entscheidung des AG München betont die Wichtigkeit des Schutzes der Privatsphäre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in nachbarschaftlichen Beziehungen. Es zeigt, dass die bloße Möglichkeit der Überwachung ausreicht, um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu begründen.
Um solche Konflikte zu vermeiden, sollten Nachbarn offen miteinander kommunizieren und mögliche Überwachungseinrichtungen vor der Installation besprechen. Dies könnte helfen, Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsame Lösungen zu finden, die die Privatsphäre aller Beteiligten wahren.
Fazit
Das Urteil des AG München verdeutlicht, dass der Schutz der Privatsphäre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in nachbarschaftlichen Beziehungen von großer Bedeutung ist. Die Installation von Überwachungskameras muss sorgfältig abgewogen und die Rechte der Nachbarn müssen respektiert werden. Offene Kommunikation und gegenseitige Rücksichtnahme sind entscheidend, um Konflikte zu vermeiden und ein harmonisches nachbarschaftliches Zusammenleben zu fördern.
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