In einer jüngsten Entscheidung des Amtsgerichts Gelnhausen (AG Gelnhausen, 52 C 76/24) wurde ein Fall behandelt, der die Installation von Überwachungskameras auf Nachbargrundstücken betraf. Dieser Fall wirft wichtige Fragen zur Privatsphäre und den rechtlichen Grenzen der Überwachung auf. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedenken, die viele Menschen haben, wenn sie sich in ihrem eigenen Garten oder auf ihrer Terrasse aufhalten und dabei von einer Kamera beobachtet werden könnten.
Sachverhalt
Der Verfügungskläger ist Eigentümer eines Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus, während die Verfügungsbeklagte Eigentümerin des benachbarten Grundstücks ist. Zwischen den Parteien besteht seit Jahren ein angespanntes Nachbarschaftsverhältnis.
Nach Weihnachten 2023 installierte die Verfügungsbeklagte eine Kamera unter einem Balkon, die teilweise von den Balkonen des Hauses des Verfügungsklägers sichtbar war und potenziell das Nachbargrundstück erfassen konnte.
Rechtliche Analyse
Das Amtsgericht Gelnhausen gab dem Verfügungskläger Recht und ordnete an, dass die Kamera so betrieben werden müsse, dass sie keine Geschehnisse auf dem Grundstück des Verfügungsklägers erfasst.
Die Entscheidung basierte auf den §§1004, 823 Abs. 1 BGB, welche das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützen. Ein Überwachungsdruck, der durch die bloße Möglichkeit der Erfassung des Nachbargrundstücks entsteht, sei ausreichend, um eine Verletzung dieses Rechts anzunehmen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist es erforderlich, für einen Unterlassungsanspruch aber auch ausreichend, dass ein sog. Überwachungsdruck erzeugt wird (vgl. hierzu LG Hamburg ZD 2018, 491; OLG Köln NJW 2017, 835; LG Bonn, NJW-RR 2005, 1067; LG Darmstadt, NZM 2000, 360; AG Winsen/Luhe, Urt. v. 30.12.2005 – 16 C 1642/05, BeckRS 2010, 11190; vgl. weiter für das Nachbarrecht AG Brandenburg, ZD 2016, 380; für das Mietrecht LG Berlin, ZD 2016, 189; für das Wohnungseigentumsrecht AG Bergisch Gladbach, NJW 2015, 3729).
Maßstab ist, dass dritte Personen eine Überwachung durch die Kamera ernsthaft objektiv befürchten müssen. Dies ist immer bereits dann erfüllt, wenn die Befürchtung einer Überwachung durch vorhandene Kameras aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich erscheint. Dafür ist bereits ausreichend, dass ein angespanntes Nachbarschaftsverhältnis besteht und die Kamera eines mittels nach außen nicht wahrnehmbaren elektronischen Steuerungsmechanismus auf das Grundstück des Nachbarn ausgerichtet werden kann.
Es kommt dabei lediglich darauf an, dass die Kamera eine solche Funktion besitzt. Ob sie angewendet wird, ist unerheblich. Ein Überwachungsdruck kann nur dann ausscheiden, wenn der Winkel der Kamera nur mit erheblichem und sichtbarem manuellen Aufwand, also eben nicht durch einen elektronischen Steuerungsmechanismus, auf das Nachbargrundstück gerichtet werden kann (BGH NJW 2010, 1533).
Es spielt keine Rolle, ob die Kamera tatsächlich Aufnahmen vom Nachbargrundstück macht. Entscheidend ist, dass die Möglichkeit besteht, dass die Kamera durch einen elektronischen Steuerungsmechanismus auf das Nachbargrundstück geschwenkt werden kann. Ein solcher Überwachungsdruck reicht aus, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen.
Kritische Betrachtung und Lösungsvorschläge
Die Entscheidung des AG Gelnhausen zeigt, dass das Interesse am Schutz der Privatsphäre in der eigenen Wohnung und im eigenen Garten hoch gewichtet wird. Viele Menschen fühlen sich in ihrem eigenen Garten unwohl, wenn sie wissen, dass sie potenziell von einer Kamera beobachtet werden könnten. Gerade im Sommer, wenn man sich leicht bekleidet aufhält, können solche Überwachungsszenarien als besonders störend und einschränkend empfunden werden.
Eine praktikable Lösung für solche Nachbarschaftskonflikte könnte in der Kommunikation liegen. Bevor eine Kamera installiert wird, sollte der Nachbar informiert und seine Bedenken ernst genommen werden. Ein offenes Gespräch kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und eine Lösung zu finden, die beide Seiten respektiert. Beispielsweise könnte die Kamera so ausgerichtet werden, dass sie nur das eigene Grundstück erfasst oder zusätzliche Sichtschutzmaßnahmen installiert werden, um die Privatsphäre des Nachbarn zu schützen.
Fazit
Die Entscheidung des AG Gelnhausen unterstreicht die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre im Nachbarschaftsverhältnis. Die rechtlichen Grundlagen bieten einen klaren Schutz vor ungewollter Überwachung, selbst wenn diese nur theoretisch möglich ist. Eine offene und respektvolle Kommunikation zwischen Nachbarn kann jedoch oft dazu beitragen, solche Konflikte im Vorfeld zu entschärfen und Lösungen zu finden, die für beide Parteien akzeptabel sind.
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