Der Bundesgerichtshof (V ZR 210/10) hat in einer aktuellen Entscheidung seine frühere Rechtsprechung zum Thema Videoüberwachung bestätigt und beschreitet weiterhin einen recht moderaten & alltagstauglichen Weg bei der Frage der Zulässigkeit von Videoüberwachungen.
Die Entscheidung wird wegweisend sein und zahlreiche gerichtliche Entscheidungen zu diesem Thema prägen.
Es ging um eine Videokamera, die in ein Klingelschild (Türklingel) eingebaut werden sollte. Beim Betätigen der Klingel (und nur dann!) wurde für maximal 1 Minute ein nicht aufzuzeichnendes Bild an denjenigen übermittelt, der die Türe öffnen sollte. Nun war fraglich, ob das so zulässig sei oder nicht. Argument der Gegner in dem Verfahren: Die Kamera könne ja auch missbraucht werden, etwa für dauernde Aufnahmen oder Aufzeichnungen. Bestritten wurde das nicht, in der Tat war das durch eine entsprechende Konfiguration möglich. Der BGH spricht jedoch ein „aber“.
Denn: Es reicht nicht aus, dass irgendeine (fernliegende) Möglichkeit eines Missbrauchs, also einer unzulässigen Überwachung besteht. Vielmehr muss es zumindest konkrete Umstände geben, die einen Missbrauch nicht als nur fernliegend erscheinen lassen. Das sah der BGH schon früher so – in der Entscheidung VI ZR 176/09 stellte der BGH klar, dass auch Kamerattrappen einen „Überwachungsdruck“ erzeugen können, jedoch muss die Möglichkeit der Überwachung zumindest anzunehmen sein und nicht fernliegend, hochtheoretisch nur denkbar sein.
Wichtig am Rande ist, dass der BGH sich auf die Linie von Simitis einschlägt und zum §6b BDSG feststellt:
Zum öffentlich zugänglichen Raum zählt auch der jedermann zugängliche Eingangsbereich einer privaten Haus- oder Wohnungstür
Das ist insofern aber wenig überraschend, da die h.M. zu Recht davon ausgeht, dass als „öffentlich zugänglicher Raum“ eben nicht nur gelten kann, was „überdacht“ oder „umschlossen“ ist (so auch Gola/Schomerus, §6b, Rn.8). Die Erfahrung lehrt, dass gerade Laien den §6b BDSG sehr restriktiv lesen und als „Raum“ nur den tatsächlichen „Raum“, also eine umschlossene Örtlichkeit verstehen. Ausschlaggebend ist dagegen vielmehr alleine die Widmung für den öffentlichen Verkehr/Gebrauch. Dennoch gab es hinsichtlich Vorgärten eine einschränkende Auffassung (so etwa Gola/Schomerus, §6b, Rn.9), die nun mit dem BGH nicht mehr haltbar sein dürfte. Zugleich zeigt sich an dem Punkt das Risiko, blind dem (Überwachungsfreundlichen) Gola/Schomerus zu folgen – zu begrüssen ist, dass der Simitis-Kommentar offensichtlich zumindest höchstrichterlich mehr Anerkennung erhält. Insofern verbleibt die stete Mahnung, Videoüberwachungen – auch und gerade in Wohnhäusern – möglichst juristisch prüfen zu lassen, um sich Ärger zu ersparen.
Hinweis: Der Sachverhalt wurde stark vereinfacht und auf die hier wesentliche Frage reduziert. Konkret ging es um die Frage der Zustimmung einer WEG zu der Überwachungsmaßnahme.
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