Am 17. Mai 2024 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine spannende Entscheidung in Bezug auf die Rechte von Fahrzeughaltern getroffen. Der Fall betraf eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Bußgeld, das aufgrund der Überschreitung der zulässigen Parkdauer verhängt wurde. Diese Entscheidung (2 BvR 1457/23) wirft ein Licht auf das Willkürverbot und die Anforderungen an die Beweiswürdigung in ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer erhielt einen Bußgeldbescheid vom Bürgermeister der Kreisstadt Siegburg am 29. Dezember 2022, in dem eine Geldbuße von 30 Euro verhängt wurde. Der Vorwurf lautete, dass der Beschwerdeführer am 6. Oktober 2022 die zulässige Parkdauer überschritten habe. Das Amtsgericht Siegburg bestätigte diesen Bescheid am 23. Mai 2023. Der Beschwerdeführer legte Rechtsbeschwerde ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Köln abgewiesen wurde.
Rechtliche Analyse
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers angenommen und ihr stattgegeben. Die Entscheidung des Amtsgerichts Siegburg wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das BVerfG stellte fest, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers allein auf der Haltereigenschaft seines Fahrzeugs beruhte und somit gegen das Willkürverbot aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstößt.
Beweiswürdigung und Willkürverbot
Das BVerfG betonte, dass eine Verurteilung nicht ausschließlich auf der Tatsache beruhen darf, dass der Beschwerdeführer der Halter des Fahrzeugs ist. Es müssen weitere Beweise vorliegen, die eine Täterschaft belegen. In diesem Fall beruhte die Entscheidung des Amtsgerichts ausschließlich auf den Angaben im Bußgeldbescheid und den Lichtbildern des Fahrzeugs.
Eine Verurteilung ohne ausreichende Beweise zur Person des Täters verstößt gegen das Willkürverbot und die Anforderungen an eine faire Beweisaufnahme:
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 13 Variante 3 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über Parkscheiben nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 StVO verstößt. Das Amtsgericht hat seine Feststellungen zur Sache allein auf die verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, auf Lichtbilder des Fahrzeugs sowie auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer der Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei.
Damit hat das Amtsgericht zu dem Verkehrsverstoß, der dem Beschwerdeführer angelastet wird, in seiner Person weder ein aktives Tun noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt. Die Angaben im Bußgeldbescheid – wie auch die Lichtbilder, die allein das Fahrzeug des Beschwerdeführers zeigen – haben bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer das Fahrzeug bei der bestimmten Fahrt auch tatsächlich geführt hat, keinerlei Aussagekraft.
Der Beschwerdeführer hat zu dem ihn betreffenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorwurf geschwiegen. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Pkws ist, darf bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens nicht auf dessen Täterschaft geschlossen werden
Fazit
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betont die Bedeutung einer gründlichen Beweisaufnahme und die Notwendigkeit, dass Gerichte sachgerechte Erwägungen anstellen müssen, bevor sie zu einer Verurteilung gelangen. Diese Entscheidung stärkt die Rechte der Bürger und stellt sicher, dass Verurteilungen nicht auf unzureichenden Beweisen beruhen. Sie erinnert daran, dass das Willkürverbot ein zentraler Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit ist und jederzeit beachtet werden muss. Die Entscheidung zeigt auch, dass das BVerfG bereit ist, in Fällen von offensichtlicher Willkür einzugreifen und die Rechte der Beschwerdeführer zu schützen.
Durch diese Entscheidung wird die Bedeutung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung unterstrichen und gewährleistet, dass Verurteilungen im Ordnungswidrigkeitenrecht nur auf einer soliden Beweisgrundlage basieren. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Fälle und dient als Leitfaden für die Justiz, wie ordnungsgemäße Verfahren durchgeführt werden sollten.
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