Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat am 23. Januar 2024 (Az. 4 Sa 389/23) eine wichtige Entscheidung zur Frage der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb unter Berücksichtigung des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB getroffen. In diesem Blog-Beitrag werden die wesentlichen rechtlichen Probleme und die Urteilsbegründung des Gerichts detailliert erläutert.
Sachverhalt
Die Klägerin war seit dem 1. Juni 2019 als Zahnmedizinische Fachangestellte in einer Zahnarztpraxis beschäftigt, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Aufgrund von Konflikten im Team, insbesondere mit einer anderen Arbeitnehmerin, und einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Mai 2022, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 2022.
Rechtliche Analyse
1. Maßregelungsverbot nach § 612a BGB
Das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB schützt Arbeitnehmer vor Benachteiligungen durch den Arbeitgeber, wenn sie in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben. Das Gericht stellte klar, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eine Maßnahme im Sinne des § 612a BGB sein kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund für die Maßnahme ist.
2. Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB trägt der klagende Arbeitnehmer. Er muss einen Sachverhalt vortragen, der einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten zeigt. Der Arbeitgeber muss sich dann detailliert zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, müssen grundsätzlich die angebotenen Beweise erhoben werden.
3. Anwendung im vorliegenden Fall
Das Gericht entschied, dass die Klägerin nicht ausreichend darlegen konnte, dass die Kündigung vornehmlich deswegen ausgesprochen wurde, weil sie trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen ist. Im Telefongespräch am 30. Mai 2022 ging es nicht nur um die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin, sondern auch um Konflikte am Arbeitsplatz und angebliche fehlerhafte Abrechnungen. Somit war nicht eindeutig festzustellen, dass die Kündigung hauptsächlich aufgrund des krankheitsbedingten Fernbleibens erfolgte.
Gerichtliche Beurteilung
Das LAG Köln bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 8. November 2022, das die Klage abgewiesen hatte. Es stellte fest, dass die ordentliche Kündigung vom 30. Mai 2022 nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB verstieß. Es sei nicht unzulässig, einem Arbeitnehmer im Kleinbetrieb während einer Erkrankung zu kündigen, solange das Fernbleiben von der Arbeit nicht das wesentliche Motiv für die Kündigung ist.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Darlegung und den Beweis eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot. Arbeitnehmer müssen einen klaren Zusammenhang zwischen der Ausübung ihrer Rechte und der Kündigung nachweisen. Arbeitgeber in Kleinbetrieben haben mehr Spielraum, Kündigungen auf zwischenmenschliche Konflikte und betriebliche Störungen zu stützen, ohne gegen das Maßregelungsverbot zu verstoßen.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie bei Kündigungen in Kleinbetrieben sorgfältig dokumentieren sollten, welche Gründe zur Kündigung geführt haben, um sich gegen Vorwürfe eines Verstoßes gegen § 612a BGB abzusichern. Arbeitnehmer sollten im Falle einer Kündigung genau prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der Ausübung ihrer Rechte und der Kündigung besteht und diesen Zusammenhang klar darlegen können, wenn sie sich auf das Maßregelungsverbot berufen möchten.
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