Tabakrecht: Nikotinfreie Aromastoffe für E-Zigaretten und E-Shishas im Onlinehandel und Jugenschutz

Nikotinfreie Aromastoffe für E-Zigaretten und E-Shishas dürfen im Onlinehandel ohne Altersbeschränkung vertrieben werden. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.03.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum bestätigt.

Die klagende Gesellschaft aus Lünen und der Beklagte aus Bünde handeln über das Internet u.a. mit Liquids und Aromen für E-Zigaretten. Die zum Dampfen benötigten Liquids werden als Basisliquids oder Fertigmischungen angeboten. Den Basisliquids, die Nikotin enthalten können, aber nicht müssen, können je nach Geschmack Aromastoffe zugegeben werden. Ein solches nikotinfreies „Aroma Gummibärchen“ bot der Beklagte über eine Internethandelsplattform zum Verkauf an. Ausweislich der Artikelbeschreibung ist das Aroma u.a. zum Kochen und Backen, zur Verfeinerung von Getränken und zur Aromatisierung von E-Liquids geeignet. Diese Aromastoffe versandte der Beklagte ohne Altersverifikation, was die Klägerin anlässlich eines Testkaufs ermittelte.

Nach Ansicht der Klägerin verstieß das Angebot des Beklagten gegen § 10 Abs. 3, Abs. 4 des Jugendschutzgesetzes, wonach E-Zigaretten und deren Zubehör – als solches vertreibe der Beklagte den Aromastoff – nur nach Altersverifikation verkauft und versandt werden dürften. Der Beklagte hat gemeint, ein handelsübliches Lebensmittelaroma zu vertreiben, das ohne Altersbeschränkung abgesetzt werden dürfe.

Die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage der Klägerin ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das Landgericht hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass das Angebot und der Versand der infrage stehenden Aromastoffe für E-Zigaretten nicht durch § 10 Abs. 3, Abs. 4 Jugendschutzgesetz beschränkt wird.

§ 10 Abs. 3 Jugendschutzgesetz schütze, so der Senat, Kinder und Jugendliche vor Tabakwaren, anderen nikotinhaltigen Erzeugnissen und deren Behältnissen, die an sie im Versandhandel weder angeboten noch abgegeben werden dürften. § 10 Abs. 4 Jugendschutzgesetz erstrecke das Verbot auf nikotinfreie Erzeugnisse wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet würden, sowie auf deren Behältnisse.

Der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Verbotsnorm des § 10 Abs. 4 Jugendschutzgesetz unterfielen nur E-Zigaretten und E-Shishas, nicht aber der vom Beklagten vertriebene Aromastoff.

Auch die Behältnisse mit diesem Aromastoff würden von dem Verbot nicht erfasst. Nach dem Gesetzeswortlaut regle die Vorschrift nur den Umgang mit solchen Behältnissen, in denen elektronische Zigaretten und Shishas aufbewahrt würden, und nicht den Umgang mit Behältnissen für Aromastoffe. Nach der Gesetzesbegründung seien Nachfüllbehälter zwar auch Behältnisse im Sinne der Vorschrift. Hierunter fielen nach der Gesetzessystematik jedoch allenfalls Nachfüllbehälter mit sog. E-Liquids, die als Basisliquid oder Fertigmischungen zum Nachfüllen der E-Zigaretten und E-Shishas verwendet werden könnten. Der Gesetzeszweck erfordere hier auch keine weitergehende Auslegung: Jugendliche und Kinder würden bereits dadurch vor Gesundheitsrisiken geschützt, dass die zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der nikotinfreien Erzeugnisse unerlässlichen Elemente der Altersverifikation unterlägen.

Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.03.2017 (4 U 162/16), nicht rechtskräftig; der Senat hat die Revision zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des Gerichts

Aus der Entscheidung des Gerichts:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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