Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion: Mit Beschluss vom 5. November 2024 (5 StR 406/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung eines Mannes wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung bestätigt. Der Fall zeigt eindrücklich, dass der fahrlässige Umgang mit nicht zugelassenen Sprengkörpern schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen haben kann – selbst wenn keine Absicht zur Schädigung Dritter bestand.
Sachverhalt
Der Angeklagte veranstaltete in der Silvesternacht 2021/2022 eine private Feuerwerksshow, bei der er illegal beschaffte Kugelbomben mit einer Nettoexplosivstoffmasse von jeweils über 1.000 g einsetzte. Diese waren nur für professionelle Pyrotechniker zugelassen und erforderten spezielle Abschussvorrichtungen. Da der Angeklagte nicht über ausreichende Vorrichtungen verfügte, baute er eine improvisierte Abschusskiste aus Kunststoff-Abwasserrohren, die nur lose im Sand fixiert waren.
Dem Angeklagten war bewusst, dass diese Konstruktion möglicherweise nicht die notwendige Stabilität und Gasdichtigkeit gewährleisten würde, was zu einem unkontrollierten Explosionsverlauf führen könnte. Dennoch führte er das Feuerwerk durch und lud Gäste dazu ein, die sich in nur 15 bis 20 Metern Entfernung aufhielten – weit unterhalb des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands von 140 Metern.
Während des Feuerwerks kam es zu einer Fehlzündung: Eine der Kugelbomben explodierte in Bodennähe, woraufhin die Abschusskiste umkippte. Eine weitere Kugelbombe wurde daraufhin in Richtung der Zuschauer abgefeuert, explodierte hinter ihnen und verletzte zwölf Personen, teils schwer. Das Landgericht Berlin I verurteilte den Angeklagten zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Seine Revision blieb erfolglos.
Rechtliche Analyse
1. Strafbarkeit nach § 308 StGB (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion)
§ 308 StGB stellt das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion unter Strafe, wenn dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Der Tatbestand kann vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden.
Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den Eintritt einer bodennahen Explosion zumindest billigend in Kauf nahm, um das Feuerwerk durchzuführen. Dass er hoffte, es werde schon gut gehen, steht einem bedingten Vorsatz nicht entgegen.
Zusätzlich lag die Qualifikation des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB vor, weil eine „große Zahl von Menschen“ durch die Explosion gesundheitlich geschädigt wurde. Der BGH stellte klar, dass bereits zwölf verletzte Personen genügen, um dieses Tatbestandsmerkmal zu erfüllen. Damit orientierte sich das Gericht an früheren Entscheidungen, die eine Schwelle von zehn bis 14 Personen als ausreichend ansahen.
2. Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
Die Verteidigung argumentierte, dass der Angeklagte nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt habe. Tatsächlich gibt es in solchen Fällen eine feine Grenze zwischen bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) und bewusster Fahrlässigkeit:
- Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolges für möglich hält und sich damit abfindet.
- Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter zwar die Gefahr erkennt, aber darauf vertraut, dass es nicht zu einem Schadenseintritt kommt.
Der BGH folgte der Einschätzung des Landgerichts, dass der Angeklagte sich mit der Möglichkeit einer bodennahen Explosion abgefunden hatte, um die Show wie geplant durchzuführen. Sein Vertrauen darauf, dass nichts passieren werde, war nicht hinreichend sicher begründet.
3. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) in Tateinheit
Zusätzlich zur Sprengstoffexplosion wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwölf Fällen verurteilt. Die Verletzungen der Zuschauer waren eine vorhersehbare Folge der fehlerhaften Abschusskonstruktion und des Missachtens von Sicherheitsvorschriften.
Da die Explosion bereits vorsätzlich herbeigeführt wurde, kam eine vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) nicht in Betracht, weil es an einer direkten Absicht zur Schädigung der Gäste fehlte.
Fazit
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die hohen strafrechtlichen Risiken beim unsachgemäßen Umgang mit Sprengstoff. Wer illegale Pyrotechnik ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen einsetzt und dabei Menschen gefährdet, kann sich wegen eines Verbrechens nach § 308 StGB strafbar machen.
Zugleich zeigt das Urteil, dass sich ein Täter nicht durch bloßes Hoffen auf einen positiven Ausgang entlasten kann. Wer eine lebensgefährliche Situation bewusst herbeiführt, handelt vorsätzlich – auch wenn der Schaden unerwünscht ist.
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