- Der Tatbestand des § 180 Abs. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter nicht nur fremden sexuellen Handlungen Vorschub leistet, sondern zugleich auch eigene sexuelle Handlungen an der minderjährigen Person vornehmen will.
- Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List in seinem Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort, um dort eine Sexualstraftat zu begehen, so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet für das Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB (im Anschluß an BGH, eschluß vom 27. April 2005 – GSSt 2/04).
BGH Beschluss vom 21.6.2005, Az: 4 StR 28/05
1. Auch der Schuldspruch wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gemäß § 180 Abs. 1 StGB im Fall II. 19 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte gemeinsam mit der 15jährigen Geschädigten in die Wohnung des dem Mädchen nur flüchtig bekannten, 42 Jahre alten Nordin S. . Dort entkleideten der Angeklagte und S. gemeinsam die Geschädigte. Nachdem zunächst der Angeklagte sexuelle Handlungen an dem Mädchen vorgenommen hatte, führte Nordin S. nach Aufforderung und möglicherweise in Gegenwart des Angeklagten, der sich nicht ausschließbar hierdurch selbst sexuell erregen wollte, den Geschlechtsverkehr mit der 15Jährigen durch (UA 19 und 45).
a) Die Wertung des Landgerichts, dieses Verhalten des Angeklagten erfülle den Tatbestand der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gemäß § 180 Abs. 1 (Nrn. 1 und 2) StGB, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entscheidend ist, daß der Angeklagte durch die Zuführung der 15jährigen Geschädigten zu dem ihr nur oberflächlich bekannten Nordin S. zum Zwecke der Durchführung sexueller Handlungen dessen sexuellen Handlungen an der Minderjährigen Vorschub leistete. In dieser Förderung fremder Sexualität ist nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck des Gesetzes – der ungestörten sexuellen Entwicklung von Jugendlichen (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 180 Rdn. 1 m.w.N.) – die Strafwürdigkeit begründet.
b) Einer Strafwürdigkeit steht nicht entgegen, daß der Angeklagte über die Förderung fremder sexueller Handlungen hinaus zugleich eigene sexuelle Zwecke verfolgte und seine eigenen Handlungen mit der Jugendlichen im Zweipersonenverhältnis – abgesehen von den Fällen des § 176 StGB und § 182 StGB, die hier nicht vorliegen – straflos wären. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich daraus kein Wertungswiderspruch, der zu einer Eingrenzung des Tatbestandes des § 180 Abs. 1 StGB auf Fallkonstellationen zwingen würde, in denen sich der Täter nicht zugleich selbst straflos an den sexuellen Handlungen mit dem Jugendlichen beteiligt.
§ 180 Abs. 1 StGB i.d.F. des 4. Strafrechtsreformgesetzes bestraft als Nachfolgevorschrift der „Kuppelei“ (nur noch) die Förderung fremder Sexualkontakte mit Personen unter 16 Jahren. In Abgrenzung zu dem eingriffsintensiveren § 182 StGB hat der Gesetzgeber durch die Tathandlung des „Vorschubleistens“ in § 180 Abs. 1 StGB die Beihilfe zu fremden Sexualkontakten mit Jugendlichen zu einem selbständigen Tatbestand erhoben, und zwar unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung des geförderten sexuellen Geschehens für die direkt daran Beteiligten (vgl. Renzikowski in MünchKomm StGB § 180 Rdn. 7 und 20 m.w.N.). Anders als bei § 182 StGB kommt es bei § 180 StGB nicht darauf an, daß eine Zwangslage des jugendlichen Opfers (§ 182 Abs. 1 StGB) oder die altersbedingte Unreife von einem älteren Sexualpartner (§ 182 Abs. 2 StGB) ausgenutzt wird. Nach der gesetzlichen Begründung soll durch den Tatbestand des § 180 StGB bereits verhindert werden, daß Jugendliche von Dritten mißbräuchlich in sexuelle Handlungen hineingezogen und dadurch der Gefahr einer Fehlentwicklung auf sexuellem Gebiet ausgesetzt werden (Bericht des Sonderausschusses BTDrucks. VI/3521 S. 42; vgl. BRDrucks. 489/70 S. 22). Die Motive des Täters für die Förderung des Sexualkontakts des Dritten sind danach gleichgültig (vgl. schon BGHSt 11, 94, 96 zu § 180 StGB a.F.; Renzikowski aaO Rdn. 22 m.w.N.; anders Lenckner/Perron aaO Rdn. 3). Für die von der Revision angestrebte Einschränkung des Tatbestandes ist aus Gründen des Jugendschutzes deshalb kein Raum. Sie würde überdies zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß der sich auf das „Vorschubleisten“ beschränkende Täter nach § 180 Abs. 1 StGB strafbar wäre, hingegen derjenige Täter, der sich selbst an den sexuellen Handlungen des Dritten mit dem Jugendlichen beteiligt oder das Vorschubleisten zum Zwecke der Befriedigung eigener Sexualität unternommen hätte, straflos wäre (vgl. Renzikowski aaO; Wolters/Horn in SK StGB § 180 Rdn. 4).
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe im Fall II. 18 der Urteilsgründe sein Fahrzeug auch dazu benutzt, um mit der Geschädigten an eine abgelegene Stelle zu fahren und diese dort unter Ausnutzung „der besonderen Umstände eines Pkw als eng umgrenztem, umschlossenen Raum“ gewaltsam zum Oralverkehr zu zwingen. Er habe diese Straftat deshalb auch unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen und sich hierdurch zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen (UA 60).
Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß dem Täter die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen in der Tat zutage getretener mangelnder Eignung auch dann zu entziehen ist, wenn kein typisches Verkehrsdelikt vorliegt, sondern wenn die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist – sog. Zusammenhangstat – (vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8, 13). Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Deshalb verlangt die Rechtsprechung, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschluß vom 27. April 2005 – GSSt 2/04 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Der Tatrichter muß sich die Überzeugung verschaffen, daß der Täter bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Verkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Dies ist anhand konkreter Umstände festzustellen, die sich aus der Tat unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit ergeben. Dabei sind auch Umstände aus dem Vorleben des Täters oder seine Tatvorbereitung in die Beurteilung einzubeziehen, sofern sich daraus tragfähige Schlüsse auf eine mögliche Gefährdung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit der Anlaßtat ziehen lassen (BGH aaO).
Diesen Anforderungen genügt die Würdigung, mit der das Landgericht die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB begründet hat, nicht. Allein der Umstand, daß der Angeklagte seinen Pkw dazu verwendete, die Geschädigte, die den Angeklagten einverständlich im Fahrzeug begleitete, zu einem abgelegenen Feldweg zu verbringen, um dort gegen ihren Willen den Oralverkehr im Pkw zu erzwingen, läßt – unbeschadet der vom Angeklagten angewandten List – weder eine Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer noch, was bei Anordnung der Maßregel bei allen Varianten des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlich ist, ohne weiteres verkehrssicherheitsrelevante charakterliche Mängel des Angeklagten erkennen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen können. Insoweit könnte insbesondere von Bedeutung sein, daß der Angeklagte vor Benutzung seines Kraftfahrzeugs möglicherweise Betäubungsmittel konsumiert hatte.
Der Senat war trotz des weitergehenden, auf Entfall der Maßregel gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlußwege wie geschehen zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Februar 2004 – 4 StR 24/04).
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