Sexuelle Belästigung

Sexuelle Belästigung: Wegen sexueller Belästigung wird nach § 184i StGB bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch be- lästigt. Eine Belästigung setzt voraus, dass die Handlung das Opfer in seinem Empfinden nicht unerheblich beeinträchtigt. Dabei reicht nicht jede Form von subjektiv empfundener Beeinträchtigung als tatbestandsrelevante Belästigung aus.

Insofern muss es sich angesichts des Schutzguts der im 13. Abschnitt verorteten Strafnorm und ihrer amtlichen Überschrift vielmehr gerade um eine „sexuelle Belästigung“ handeln, bei welcher die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers tangiert ist (BGH, 2 StR 543/19).

Dazu auch bei uns:

Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung i.S.d. § 184i Abs. 1 StGB

Gemäß § 184i Abs. 1 StGB wird mit bis zu zwei Jahren oder mit bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Das Tatbestandsmerkmal der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ im Sinne von § 184i Abs. 1 StGB ist durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460) eingeführt worden.

Mit dem BGH soll das Vorliegen einer Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ anhand der Auslegungskriterien zu bestimmen sein, welche die Rechtsprechung zum Begriff der sexuellen Handlung nach § 184h Nr. 1 StGB entwickelt hat. Dem Folgend kann eine Berührung sowohl objektiv – nach dem äußeren Erscheinungsbild – als auch subjektiv – nach den Umständen des Einzelfalls – sexuell bestimmt sein, wobei es allerdings nicht ausreiche, dass die Handlung allein nach der subjektiven Vorstellung des Täters sexuellen Charakter haben soll (BGH, 4 StR 570/17).

Das bedeutet, dass eine Berührung“ in sexuell bestimmter Weise“ anzunehmen ist, wenn diese einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Hierbei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt; hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Insofern gilt im Rahmen von § 184i Abs. 1 StGB nichts anderes als bei der Bestimmung des Sexualbezugs einer Handlung gemäß § 184h Nr. 1 StGB (so ausdrücklich BGH, 4 StR 570/17).

Individuelles Empfinden des Tatopfers

Bisher musste der nicht abschliessend entscheiden, ob es allein auf das individuelle Empfinden des Tatopfers ankommt oder ob zusätzlich eine aus objektiver Perspektive zu bestimmende Eignung zur Belästigung vorliegen muss.

Allerdings hat der BGH schon früh klargestellt, dass im Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 184i StGB wohl dann auszugehen ist, dass es nicht allein auf das subjektive Empfinden des Opfers ankommt, sondern dass die Berührung auch bei einer wertenden Betrachtung objektiv geeignet sein muss, sexuell belästigend zu wirken (BGH, 4 StR 570/17). Nicht ausdrücklich aber durchaus so zu verstehen ist auch die Gesetzesbegründung, wonach bloße Ärgernisse, Ungehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten „nicht ohne Weiteres dazu geeignet seien, die sexuelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen“ (BT-Drucks. 18/9097, S. 30).

Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung

Insgesamt konnte sich der Bundesgerichtshof (4 StR 570/17) zu den Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung i.S.d. § 184i Abs. 1 StGB äussern und festhalten, dass hier die althergebrachten Grundsätze gelten. Das bedeutet, dass eine Berührung in sexuell bestimmter Weise anzunehmen ist, wenn sie einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Soweit es um den Streitfall mehrdeutiger Verhaltensweisen geht, sind auch derartige „ambivalente Berührungen“ – die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen – tatbestandsmäßig eine sexuelle Belästigung, wenn dies mit der Betrachtung eines objektiven Beobachters anzunehmen ist, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. In diese wertende Betrachtung fliesst dann auch die Frage hinein, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. Insgesamt gilt im Rahmen der Prüfung des § 184i Abs. 1 StGB nichts anderes als ohnehin bei der Bestimmung des Sexualbezugs einer Handlung gemäß § 184h Nr. 1 StGB gilt, der bisherige Maßstab ist mit dem BGH also zu übertragen:

Dementsprechend steht es nach ständiger Rechtsprechung bei Verhaltensweisen, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen, der Annahme einer sexuellen Handlung gemäß § 184h Nr. 1 StGB nicht entgegen, dass der Täter nicht von sexuellen Absichten geleitet ist, sondern aus Wut, Sadismus, Scherz oder zur Demütigung sei- nes Opfers handelt (…). Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch für die Auslegung von § 184i Abs. 1 StGB, soweit es sich um eine bereits nach den äußeren Umständen sexualbezogene Berührung handelt. Der teilweise in eine andere Richtung weisenden Gesetzesbegründung ist keine bewusste Abkehr von den vorgenannten Grundsätzen zu entnehmen. Der Gesetzgeber hatte Fallgestaltungen äußerlich eindeutig sexualbezogener Körperkontakte bei fehlender sexueller Motivation offenbar lediglich nicht im Blick.

Das Ergebnis ist, dass Strafverfahren im Sexualstrafrecht wie bisher auch weiterhin mit dem Blick auf das Wesentliche und geeigneter Diskussion zur Wertung insgesamt geführt werden müssen – alleine der Bezug zu den subjektiven Vorstellungen des Täters ist ungeeignet um eine Verteidigungslinie aufzubauen, was aber viele immer noch versuchen und damit häufig die Sache sogar noch verschlimmern.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.