In einer wegweisenden Entscheidung vom 16. Mai 2024 (Az.: I ZR 45/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) über die Reichweite des Persönlichkeitsrechts von Unternehmen im Kontext von Werbefotografien entschieden. Im Kern ging es um die Frage, ob und wie weit die Nutzung eines Flugzeugkennzeichens in der Werbung eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts darstellt.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Unternehmen mit der Abkürzung KUM, war Halterin eines Learjets mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-CKUM. Die Beklagte, bekannte Herstellerin von Fahrzeugen, nutzte Fotografien dieses Learjets im Hintergrund einer Werbekampagne für eine S-Klasse, ohne eine Einwilligung der Klägerin einzuholen. Die Klägerin argumentierte, dass durch die Sichtbarkeit des Kennzeichens eine Identifizierung möglich sei und somit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt werde.
Vorinstanzen
Das Landgericht Bielefeld wies die Klage zunächst ab, während das Oberlandesgericht Hamm der Klägerin teilweise recht gab und die Beklagte zur Unterlassung verurteilte. Die Beklagte legte daraufhin Revision beim BGH ein.
Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Urteil des OLG Hamm auf und wies die Berufung der Klägerin zurück. Er stellte fest, dass die Nutzung des Flugzeugkennzeichens keine Verletzung des allgemeinen Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin darstelle:
Die Entscheidung, ob und in welcher Weise kennzeichnende Merkmale der Persönlichkeit wie das Bildnis, die Stimme oder der Name für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden sollen, ist wesentlicher – vermögenswerter – Bestandteil des Persönlichkeitsrechts natürlicher und juristischer Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) sowie der Personengesellschaften des Handelsrechts.
Grundlage einer insoweit in Betracht kommenden deliktsrechtlichen Haftung wegen des Eingriffs in den vermögenswerten Bestandteil des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts am eigenen Namen ist, dass der Name vom als Verletzer in Anspruch Genommenen in einer Weise verwendet wird, die den Werbe- und Imagewert des Namensträgers ausnutzt, indem seine Person beispielsweise als Vorspann für die Anpreisung eines Produkts vermarktet wird oder durch den Gebrauch des Namens zumindest die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt gelenkt wird.
Kernpunkte der Entscheidung
- Keine unmittelbare Namensverwendung: Der BGH betonte, dass auf den Fotografien kein unmittelbar erkennbarer Hinweis auf die Identität der Klägerin vorhanden war. Weder der vollständige Name noch das Unternehmenskennzeichen der Klägerin waren deutlich sichtbar.
- Erkennbarkeit über das Internet: Die Möglichkeit, dass Betrachter durch eine Internetrecherche anhand des Flugzeugkennzeichens die Identität der Klägerin herausfinden könnten, reicht nicht aus, um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts anzunehmen. Der BGH argumentierte, dass eine solche Identifizierung nicht dem Werbenden zugerechnet werden kann.
- Keine Ausnutzung des Werbewerts: Eine deliktsrechtliche Haftung setzt voraus, dass der Name in einer Weise verwendet wird, die den Werbe- und Imagewert des Namensträgers ausnutzt. Dies war hier nicht der Fall, da die Beklagte keinen erkennbaren namensmäßigen Hinweis nutzte, um die Aufmerksamkeit der Betrachter gezielt auf das beworbene Produkt zu lenken.
- Zurechnungszusammenhang: Der BGH stellte klar, dass ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn die Identifizierbarkeit erst durch eine eigenverantwortliche Handlung Dritter (z.B. durch eine Internetrecherche) hergestellt wird.
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Grenzen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts im digitalen Zeitalter. Sie stellt klar, dass die bloße Möglichkeit der Identifizierbarkeit über das Internet nicht ausreicht, um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts anzunehmen. Dies ist insbesondere relevant in einer Zeit, in der Informationen leicht zugänglich und durchsuchbar sind.
Fazit
Die Entscheidung des BGH (I ZR 45/23) stellt wichtige Weichen für den Umgang mit Persönlichkeitsrechten im digitalen Kontext.
Die Entscheidung schützt Unternehmen davor, für Handlungen Dritter verantwortlich gemacht zu werden, die eigenverantwortlich handeln. Sie klärt auch, wann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt und verhindert eine Überdehnung des Persönlichkeitsrechts. Aber: Die Entscheidung könnte den Schutz von Unternehmen einschränken, deren Kennzeichen oder Namen indirekt in der Werbung verwendet werden. Und die Feststellung, dass eine Identifizierung über das Internet nicht ausreicht, könnte zu Unsicherheiten führen, wann genau eine Namensnutzung vorliegt. Es bleibt abzuwarten, wohin diese Rechtsprechung führt.
Sie unterstreicht die Bedeutung eines direkten Zusammenhangs zwischen der Namensnutzung und dem Werbeeffekt, um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts anzunehmen. Gleichzeitig zeigt sie die Grenzen auf, die der Schutz des Persönlichkeitsrechts in einer digital vernetzten Welt hat.
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