Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat mit Beschluss vom 15. Januar 2025 (Az.: 3 W 3/25) klargestellt, dass ein Ordnungsgeld gegen einen nicht erschienenen Zeugen nicht verhängt werden darf, wenn dessen Aussage für das Verfahren letztlich unerheblich ist. Das Gericht reduzierte damit die strikte Anwendung des § 380 ZPO teleologisch und stellte klar, dass die Zeugenpflicht nicht zum Selbstzweck besteht.
Sachverhalt
Der Fall begann mit einem Honorarstreit zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber. Beide Parteien hatten Zeugen benannt, die zu den Vertragsverhandlungen aussagen sollten. Eine dieser Zeuginnen erschien jedoch nicht zum anberaumten Termin.
Das Landgericht Mainz verhängte daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro gegen die Zeugin, verbunden mit der Androhung von Ordnungshaft für den Fall der Nichtzahlung. Die Zeugin legte sofortige Beschwerde ein und argumentierte, sie sei davon ausgegangen, dass der Termin verschoben werde, da der Anwalt des Beklagten krankheitsbedingt einen Verlegungsantrag gestellt hatte.
Während des Verfahrens stellte sich heraus, dass die Aussage der Zeugin ohnehin keine entscheidende Rolle mehr spielte, da das Gericht bereits aufgrund anderer Beweismittel keine Überzeugung vom klägerischen Vortrag gewinnen konnte. Die Vernehmung der Zeugin war somit überflüssig geworden.
Entscheidung des OLG Koblenz
Das OLG hob den Ordnungsgeldbeschluss auf und stellte klar, dass § 380 ZPO in solchen Fällen einschränkend auszulegen sei. Die Pflicht eines Zeugen, vor Gericht zu erscheinen, diene allein dem Zweck, die Sachverhaltsaufklärung zu gewährleisten. Sobald eine Zeugenaussage keine Relevanz mehr für das Verfahren habe, entfalle auch das Interesse an einer Sanktionierung des Nichterscheinens.
Das Gericht wies darauf hin, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes kein Selbstzweck sei und nicht zur Disziplinierung von Zeugen eingesetzt werden dürfe. Es betonte zudem, dass sich in der Literatur und Rechtsprechung bereits eine Tendenz abzeichne, Ordnungsmittel in vergleichbaren Fällen nicht zu verhängen, insbesondere wenn sich der Prozess erledigt oder eine Zeugenaussage nicht mehr erforderlich ist.
Rechtliche Würdigung
Der Beschluss des OLG Koblenz steht im Einklang mit der Tendenz, Zwangsmaßnahmen gegen Zeugen nur dann zu verhängen, wenn sie wirklich erforderlich sind. Das Gericht berief sich auf ähnliche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs, die eine restriktive Anwendung von Ordnungsgeldern in Fällen vorsahen, in denen das Nichterscheinen des Zeugen prozessual folgenlos blieb.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Zeugenpflicht nicht als starres Prinzip zu verstehen ist, sondern im Kontext der Verfahrensökonomie betrachtet werden muss. Es wäre unverhältnismäßig, eine Person zu sanktionieren, wenn ihre Aussage das Verfahren nicht mehr beeinflussen kann.
Fazit
Mit diesem Beschluss setzt das OLG Koblenz ein wichtiges Signal für eine sachgerechte Anwendung von Ordnungsmitteln im Zivilprozess – der Rechtsgedanke dürfte zudem auf den Strafprozess zu übertragen sein, auch wenn es hier um eine Norm aus der ZPO geht. Die Entscheidung stärkt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt klar, dass Zwangsmaßnahmen nicht allein zur Wahrung richterlicher Autorität verhängt werden dürfen. Sie gibt Zeugen zudem Rechtssicherheit, dass ihr Nichterscheinen nicht automatisch mit einer Geldstrafe belegt wird, wenn ihre Aussage letztlich bedeutungslos für das Verfahren ist.
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