FG Nürnberg bestätigt Steuerbarkeit trotz virtueller Abwicklung: Mit Urteil vom 22.01.2025 (Az. 3 K 760/22) hat das Finanzgericht (FG) Nürnberg ein wegweisendes Urteil zur steuerlichen Behandlung von Gewinnen aus dem Handel mit Kryptowährungen gefällt. Das Gericht bestätigt nicht nur die grundsätzliche Steuerpflicht solcher Veräußerungsgewinne gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern setzt sich auch umfassend mit den Einwänden des Klägers auseinander – etwa zur angeblich fehlenden Wirtschaftsguteigenschaft von Tokens oder zur Verfassungswidrigkeit wegen struktureller Vollzugsdefizite.
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Jahr 2017 durch den Handel mit verschiedenen Kryptowährungen (u. a. Bitcoin, Ethereum, Monero) einen Gewinn von über 100.000 € erzielt. Die Transaktionen erfolgten dabei ausschließlich durch Tausch von Kryptowährung zu Kryptowährung – ein sogenanntes „Auscashen“ in gesetzliche Zahlungsmittel (Fiatgeld) erfolgte nicht. Das Finanzamt sah darin steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäfte und setzte Einkommensteuer fest. Der Kläger wehrte sich – mit einer Vielzahl von Argumenten: Es liege kein Wirtschaftsgut vor, der Vorgang sei rein virtuell, der Markt sei volatil und nicht reguliert, es fehle an einem steuerlich fassbaren Leistungszuwachs und der Gesetzgeber habe keine ausreichende Grundlage zur Durchsetzung geschaffen.
Rechtliche Analyse
Kryptowährungen sind steuerpflichtige Wirtschaftsgüter
Das FG Nürnberg bestätigt die gefestigte Rechtsprechung: Currency Tokens wie Bitcoin oder Ether sind „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Maßgeblich ist dabei nicht, ob die Einheiten materiell greifbar oder als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt sind. Entscheidend ist ihre Verkehrsfähigkeit und Veräußerbarkeit, was im Massengeschäft über Kryptobörsen und durch Peer-to-Peer-Transaktionen gegeben ist.
Kein strukturelles Vollzugsdefizit
Ein häufig vorgebrachtes Argument: Die Steuerpflicht sei faktisch nicht durchsetzbar, weil der Staat wegen Anonymität, Auslandsplattformen und technischer Komplexität den Handel kaum kontrollieren könne. Das Gericht weist dies zurück: Der Steuerpflichtige unterliegt auch bei Kryptowerten denselben Mitwirkungspflichten wie etwa bei Vermietung und Verpachtung. Die Finanzbehörden verfügen zudem über internationale Auskunftsabkommen, Kontrollmitteilungen und technische Hilfsmittel zur Nachverfolgung von Wallets und Transaktionen.
Verfassungsmäßigkeit und Gleichbehandlung
Auch verfassungsrechtlich besteht laut FG kein Anlass zur Beanstandung. Weder das Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 3 Abs. 1 GG) noch der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) seien verletzt. Eine Realisation von Wertzuwächsen kann auch ohne Konversion in Euro vorliegen, etwa durch den Tausch von Token A gegen Token B mit höherem Gegenwert. Die daraus resultierende steuerliche Erfassung sei sachlich gerechtfertigt und gesetzlich vorgesehen.
Worauf Betroffene achten sollten – praktische Hinweise zur idealen Lösung
Gerade bei Verfahren, die aufgrund formaler oder materieller Mängel drohen, zu einer steuerlichen Nachforderung zu führen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- Lückenlose Dokumentation: Wer mit Kryptowährungen handelt, sollte Kauf- und Verkaufszeitpunkte, Anschaffungskosten, Kurse und Gebühren konsequent dokumentieren – idealerweise softwaregestützt (z. B. CoinTracking, Accointing).
- Professionelle steuerliche Beratung: Besonders bei Airdrops, Staking, Lending oder Tauschgeschäften empfiehlt sich die Unterstützung durch spezialisierte Steuerberater.
- Verständigungsbereitschaft mit der Finanzverwaltung: Kommt es zu Unsicherheiten oder Fehlern, sollte eine aktive Mitwirkung im Sinne des § 90 AO erfolgen – etwa durch freiwillige Nachmeldung oder Erläuterung der Transaktionen.
- Verfahren strategisch beenden: Wird ein Verfahren eingestellt (z. B. im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung), ist zu prüfen, ob eine steuerliche Korrektur oder Selbstanzeige notwendig ist, um spätere strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
- Frühzeitige Einzelfallprüfung bei neuen Tokenarten: Ob ein Token ein Wirtschaftsgut ist, hängt vom zugrunde liegenden Recht bzw. Anspruch ab – hier empfiehlt sich eine Prüfung nach dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022.
Das FG Nürnberg folgt der Linie des FG Köln und anderer Gerichte: Kryptowährungen sind – unabhängig von ihrer „Virtualität“ – steuerpflichtige Wirtschaftsgüter. Rein technische oder philosophische Zweifel an ihrer Werthaltigkeit oder Rechtsnatur stehen der Besteuerung nicht entgegen. Gleichzeitig setzt das Urteil Maßstäbe für die Pflicht zur Mitwirkung und zur sorgfältigen Sachverhaltsermittlung durch Steuerpflichtige wie Finanzämter.
Ergebnis
Die Kernaussage des Urteils lautet: Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen sind steuerpflichtig – auch dann, wenn sie nur virtuell realisiert wurden. Steuerpflichtige müssen mitdenken, mitwirken und dokumentieren. Der bloße Verweis auf Komplexität, Anonymität oder Marktvolatilität schützt nicht vor Besteuerung – und auch nicht vor steuerlichen Konsequenzen im Nachhinein.
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