Steuerbarkeit von Gewinnen aus dem Umgang mit Kryptowährungen

Der Bundesfinanzhof (IX R 3/22) hat eine elementare steuerrechtliche Frage beim Umgang mit Kryptowährungen geklärt, die auf Jahre gravierende Auswirkungen haben wird. Dabei ging es Vordergründung um die Frage der Steuerpflicht bei der Veräußerung von Kryptowährungen, was in der Presse bisher die Hauptrolle zu spielen scheint. Tatsächlich aber hat der Bundesfinanzhof die bisherige Rechtsprechung erstmals bestätigt, mit welcher schon der Umtausch einer in eine andere ein steuerbares Verhalten darstellt. Die Schockwellen werden folgen.

Kryptowährungen sind Wirtschaftsgüter

Der Bundesfinanzhof hatte zunächst zu klären, ob überhaupt ein Wirtschaftsgut im Sinne des Einkommensteuerrechts vorliegt. Dieser Begriff des (sonstigen) „Wirtschaftsguts“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG entspricht dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes und ist weit zu verstehen. Er ist nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen.

Dies führt nach der Rechtsprechung des BFH dazu, dass unter den Begriff „Wirtschaftsgut“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts wie Sachen und Rechte fallen, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Gewerbetreibende sich etwas kosten lässt, die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragbar sind.

Das Merkmal der „selbständigen Bewertbarkeit“ wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass ein Erwerber des gesamten Betriebes in dem „Vorteil“ einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde; es muss also zum jeweiligen Stichtag ein wirtschaftlich verwertbarer Vermögensvorteil vorliegen, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann.

Hiervon ausgehend kann für den BFH im Einzelfall auch eine zivilrechtlich nicht oder nur eingeschränkt übertragbare (Rechts-)Position steuerrechtlich als selbständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den marktfähigen Teil der Rechtsposition einem Dritten entgeltlich zu überlassen und damit wirtschaftlich zu verwerten, sodass der BFH zu dem Ergebnis kommt:

Vor diesem Hintergrund können nach Auffassung des Senats zu den Wirtschaftsgütern grundsätzlich auch solche objektiv werthaltigen Positionen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 428, BStBl II 2013, 324, zu Gewinnaussichten aus einem schwebenden Geschäft) gerechnet werden, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen könnte (s. hierzu Omlor, Zeitschrift für das gesamte und Wirtschaftsrecht 2019, 294, 327 f., zur Übertragung von -basierten Zahlungsmitteln als Realakt), sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird und sie ‑‑allein oder mit dem Betrieb‑‑ verkehrsfähig sind. Insoweit ist maßgeblich auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreise abzustellen (…)

Die Currency Token BTC, ETH und XMR sind digitale Vermögenswerte (…) Zwar fallen sie weder unter den zivilrechtlichen Begriff des „Geldes“ ‑‑worunter umlaufende, allgemein als Universaltauschmittel anerkannte, gesetzliche Zahlungsmittel verstanden werden (…) noch sind sie als elektronisches Geld (sog. „E-Geld“) zu klassifizieren (…) worunter jeder elektronisch, darunter auch magnetisch gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten verstanden wird, welcher gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge i.S. des § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird (§ 675c Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes).

Jedoch sind die genannten Currency Token BTC, ETH und XMR wie reale Zahlungsmittel einzeln übertragbar bzw. tauschbar. Sie sind überdies –wie gerade auch der Streitfall zeigt– in kleinere Untereinheiten teilbar. Sie werden –wie reale Währungseinheiten– auf speziellen Handelsplattformen bzw. Börsen (sog. „Exchanges“) gehandelt und verfügen über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse. Der dort für den jeweiligen Token und die jeweilige Transaktion ermittelte (Kurs-)“Wert“ belegt dessen Realisierbarkeit

Bundesfinanzhof, IX R 3/22

Vor diesem Hintergrund stellen sich daher mit dem BGH die erworbenen, getauschten und wieder veräußerten Währungs-Token wie BTC, ETH und XMR als objektiv werthaltige, im Sinne des Wirtschaftsgutbegriffs „selbständig bewertbare“ Positionen dar.

Dabei betont der BFH, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt gilt, in dem diese aus der Gesamtmenge eines ggf. zunächst insgesamt auf einer Plattform vorhandenen „Token-Portfolios“ – das in einem „Konto“ (sog. „Public Key“) des jeweiligen Distributed-Ledger-Technologie-Systems (DLT-System) zusammengefasst ist – herausgelöst und in handelbare Untereinheiten wirtschaftlich „verselbständigt“ werden. Als Indiz stellt der BGH darauf ab, dass in diesen Fällen in der Regel ein Entgelt für die Übertragung in handelbare Untereinheiten „verselbständigter“ Token gezahlt wird, worunter sowohl Plattform- als auch Blockchain-Transaktionsgebühren verstanden werden können.

Wem sind durch Kauf oder Tausch erworbene Währungstoken nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen?


Da die Vorschrift des § 39 Abs. 1 AO aus Sicht des BGB „unjuristisch“ formuliert ist und vom engen Eigentumsbegriff des Zivilrechts abweicht, ist „Eigentümer“ eines Wirtschaftsguts i.S.d. § 39 Abs. 1 AO derjenige, der nach Maßgabe des Privatrechts berechtigt ist. Im Hinblick auf dieses nach dem Zweck der Vorschrift weit auszulegende Begriffsverständnis kann mit dem BFH auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare, aber wirtschaftlich werthaltige Position einer natürlichen Person als „Eigentümer“ zugerechnet werden, wenn diese eine faktische Berechtigung (im Sinne einer „unbeschränkten Herrschaftsmacht“) an der als Wirtschaftsgut zu qualifizierenden Position hat.

Dieses im Wege der teleologischen Extension weite Verständnis führt dann dazu, dem jeweiligen Nutzer die erworbenen Currency Token schon deshalb nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen, weil er mittels des „Private Keys“ die tatsächliche Verfügungsmacht (im Sinne einer uneingeschränkten Herrschaftsmacht) über die erworbenen Token hatte. Dies entspricht auch dem Grundverständnis der für die im Streitfall maßgeblichen Currency Token geschaffenen DLT-Systeme: Denn dort wird die Inhaberschaft des „Private Key“ – auch begrifflich – mit einer „Eigentümerstellung“ gleichgesetzt. So spricht das -Whitepaper vom „Owner“ – dem Inhaber des Schlüsselpaares – und vom (Zahlungs-)Empfänger als den an einer Transaktion Beteiligten. Auch das -Whitepaper spricht vom „owner of a private key“; die dabei verwendete CryptoNote-Technologie betont in diesem Zusammenhang, dass der Nutzer seine Eigentümerstellung („ownership“) und seine Transaktionen anonym gestalten kann. ETH, die sich als eine auf der Blockchain-Technologie von BTC aufbauende, aber weiterentwickelte Plattform für elektronische Verträge und dezentrale Anwendungen versteht, erlaubt es den Nutzern schließlich, die Regeln für die Eigentümerstellung selbst zu definieren.

Tausch von Kryptowährungen

Steuern auf getauschte Kryptowährungen? … !

Das wahre steuerrechtliche Problem kommt nun aber noch: Der Budnesfinanzhof stellt ausdrücklich klar, dass der Tausch einer Kryptowährung in eine andere einen steuerrechtlich relevanten Vorgang darstellt. Allerdings gilt auch hier die Jahresfrist („Haltefrist“) als Kriterium.

Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG den Zweck verfolgt, innerhalb der einjährigen Haltefrist realisierte Wertsteigerungen eines „anderen Wirtschaftsguts“ des Privatvermögens der zu unterwerfen. Die in der maßgeblichen Vorschrift verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ ergeben sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 HGB und der §§ 135, 136 BGB. Anschaffung und Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines anderen Wirtschaftsguts auf einen anderen.

Currency Token werden i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie gegen Euro, gegen eine andere Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden

Dabei greift der Bundesfinanzhof die Ausführungen des BMF-Schreibens auf und weist zunächst darauf hin, dass – wie oben dargestellt – zu den (sonstigen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, (jedenfalls) auch virtuelle Währungen in Form von Currency Token gehören.

Currency Token werden danach i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie gegen Euro, gegen eine andere Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; sie werden i.S.d. Vorschrift veräußert, wenn sie gegen Euro (bzw. eine Fremdwährung) zurückgetauscht oder gegen andere virtuelle Währungen eingetauscht werden (insoweit wird bestätigend auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2022, 668, Rz 54 verwiesen). Interessant ist in tehcnischer Hinsicht dabei, wie der BFH begründet, dass diese nunmehr anzunehmenden Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge, mit denen die jeweiligen Einheiten von Currency Token erworben, getauscht und wieder veräußert wurden, zu einem jeweiligen Rechtsträgerwechsel geführt haben:

Der Senat geht davon aus, dass ein solcher Rechtsträgerwechsel den Übergang der (Verfügungs-)Berechtigung am Wirtschaftsgut vom Inhaber des „Private Key“ auf den Erwerber voraussetzt (…) Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger im Rahmen der jeweiligen Übertragungsvereinbarungen –einem Rechtsgeschäft sui generis … — den Übergang der jeweiligen Token auf sich selbst oder von sich auf andere Personen — d.h. „von Wallet zu Wallet“ — bewirkt, indem er mit Hilfe eines eigens generierten „Private Key“ die erworbenen bzw. getauschten Token über eine Zwischenadresse auf der Handelsplattform auf eine private Adresse transferiert hat bzw. die veräußerten Token an den Erwerber überwiesen hat. Dies führte in jedem Einzelfall –unbeschadet der im Fachschrifttum streitigen Frage, ob es sich dabei jeweils um die Übertragung einer Zivilrechtsposition de lege lata gehandelt hat– jedenfalls zum Übergang der (faktischen) Berechtigung am Wirtschaftsgut auf einen anderen Rechtsträger.

Auswirkungen der BFH-Entscheidung zu Kryptowährungen

Es sollte nicht ernsthaft überraschen, dass binnen der Haltefrist gemachte Gewinne zu versteuern sind. Aber: Bisher war heftig und auch durchaus berechtigt umstritten, ob der schlichte Tausch einer Kryptowährung in eine andere steuerrechtliche Auswirkungen hat. Dies ist nun erledigt, wenn auch äußerst streitbar.

Wer binnen der Haltefrist Tauschvorgänge von Kryptowährungen untereinander vornimmt bzw. vorgenommen hat, sollte dies angeben. Wenn man Verluste erzielt hat, bleibt es sinnvoll, dies zu melden: Es ist absehbar, dass in einigen Jahren Rechenschaftspflichten bei Krypto-Transaktionen in der Euro-Zone bestehen. Frühzeitig auf diesem Weg angemeldete Bestände könnten spätere Geldwäsche-Diskussionen massiv erleichtern.

Dabei zeigen in unserer Kanzlei derzeit laufende Mandate, dass man mit Meldungen rechnen sollte: Zwar finden (wohl= derzeit keine automatisierten Meldungen von Plattformen an die Finanzämter statt. Aber wie sich hier in laufenden Verfahren zeigt, gibt es Sammelabfragen bei ersten Plattformen, die mit 5-10 Jahren (!) Abstand zu Nachfragen des Finanzamts führen. Es macht also doppelt Sinn, hier „aufzuräumen“, auch wenn dies mit erheblicher Mehrarbeit verbunden ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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