Keine Fahrerlaubnis ohne Eignungsnachweis: VG Bremen zur medizinisch-psychologischen Begutachtung nach Trunkenheitsfahrt

Mit Beschluss vom 2. April 2025 (Az. 5 V 245/25) hat das Verwaltungsgericht Bremen einen Eilantrag auf vorläufige Neuerteilung einer abgelehnt. Der Antragsteller war wegen einer strafrechtlich verurteilt worden, ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Trotz Ablauf der gerichtlichen verweigerte die Fahrerlaubnisbehörde eine Neuerteilung, solange kein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorliegt.

Kurz: Der Antrag wurde abgelehnt. Ohne Vorlage eines MPU-Gutachtens ist der Antragsteller nicht berechtigt, die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis zu verlangen. Eine rechtlich zulässige und formal ordnungsgemäß begründete MPU-Anordnung steht einer vorläufigen Fahrerlaubniserteilung entgegen. Die Entscheidung betont die Eigenständigkeit verwaltungsrechtlicher Eignungsprüfungen und die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Anordnung einer MPU bei wiederholten Verkehrsverstößen.

Sachverhalt

Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis mehrerer Klassen. Am 25. Januar 2024 führte er ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,54 ‰ – mit der Folge einer strafrechtlichen Verurteilung wegen fahrlässiger und Entziehung der Fahrerlaubnis durch vom Mai 2024. Die Sperrfrist wurde später verkürzt und endete am 21. Dezember 2024.

Noch während der Sperrfrist beantragte der Betroffene die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte mit Schreiben vom 15. Januar 2025 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, gestützt auf § 11 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 9b FeV, da neben der Trunkenheitsfahrt auch mehrere erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie ein in den Jahren 2022 und 2023 aktenkundig waren.

Der Antragsteller beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu erteilen oder zumindest seinen Antrag ohne weiteres Gutachten zu bescheiden – und scheiterte.

Rechtliche Analyse

Kein Automatismus nach Sperrfristende

Zentral stellt das VG Bremen klar, dass das Ende der strafgerichtlich angeordneten Sperrfrist nicht zur automatischen Wiedererteilung der Fahrerlaubnis führt. Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten bei Neuerteilung die Anforderungen wie bei einer erstmaligen Fahrerlaubniserteilung – einschließlich der Prüfung der Fahreignung. Die Sperrfrist ist lediglich die strafrechtliche Untergrenze, ab der eine Erteilung überhaupt wieder möglich wird. Ob der Betroffene tatsächlich geeignet ist, ist hingegen von der Verwaltungsbehörde gesondert zu prüfen.

MPU-Anordnung bei wiederholten Verstößen zulässig

Die Behörde hatte ihre Eignungszweifel nicht allein auf die Trunkenheitsfahrt gestützt, sondern auf ein Bündel an Verkehrsverstößen: darunter mehrere erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen und ein dokumentierter Abstandsverstoß. Damit lag eine wiederholte Missachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften vor, die gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV die Anordnung einer MPU rechtfertigt. Eine Beschränkung auf § 13 FeV – der etwa bei einer BAK ab 1,6 ‰ einschlägig ist – besteht nicht. Gerade die Kombination aus – und Regelverstößen im Straßenverkehr rechtfertigte hier besondere Zweifel an der künftigen Regelkonformität des Antragstellers.

Kein Spannungsverhältnis zum Punktsystem

Der Antragsteller argumentierte, die Verstöße seien im Fahreignungs-Bewertungssystem bereits erfasst und „abgegolten“ worden. Das VG Bremen stellte klar, dass sich das Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 4 StVG) ausschließlich an Inhaber einer Fahrerlaubnis richtet. Bei der Neuerteilung – also nach vorheriger Entziehung – greift dieses System nicht. Ein Konflikt zwischen § 11 FeV (Eignungsprüfung) und § 4 StVG (Punktebewertung) bestehe daher in der konkreten Konstellation nicht.


Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus

Im Rahmen der einstweiligen Anordnung hatte das Gericht besonders strenge Maßstäbe anzulegen, da eine vorläufige Fahrerlaubniserteilung die Hauptsache faktisch vorwegnimmt. Ein solcher Eingriff setzt voraus, dass das Obsiegen in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Da die Fahreignung des Antragstellers angesichts der MPU-Anordnung gerade nicht feststeht, fehlt es an einem solchen Anordnungsanspruch. Auch das Interesse an Berufsausübung oder familiären Verpflichtungen konnte nicht gegen das übergeordnete Schutzinteresse der Allgemeinheit durchgreifen.

Das VG Bremen zeigt unmissverständlich: Der Weg zurück zum ist kein Automatismus. Nur wer seine Fahreignung aktiv belegt – etwa durch eine MPU – kann auf eine Wiedererteilung hoffen. Wer wiederholt schwerwiegende Verkehrsverstöße begeht – erst recht unter Alkoholeinfluss –, muss mit einer intensiven Eignungsprüfung bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechnen. Die MPU ist keine Strafe, sondern ein legitimes Instrument der Gefahrenabwehr. Ihr kann sich auch dann niemand entziehen, wenn die gerichtliche Sperrfrist abgelaufen ist.

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung ist lehrbuchhaft in ihrer Klarstellung: Eine Trunkenheitsfahrt, auch unterhalb der MPU-Grenze des § 13 FeV, kann im Zusammenspiel mit weiteren Regelverstößen sehr wohl eine medizinisch-psychologische Begutachtung rechtfertigen. Das VG Bremen zeigt deutlich, dass der Fahrerlaubnisbehörde ein eigenständiger, risikoorientierter Prüfrahmen zusteht. Dabei dient die MPU nicht der Sanktionierung, sondern der präventiven Eignungsbeurteilung.

Die Argumentation des Antragstellers verkennt, dass eine Sperrfristverkürzung im Strafrecht nichts über die tatsächliche Verkehrseignung aussagt. Ebenso wenig vermag ein Aufbauseminar oder ein subjektives Reuegefühl den durch wiederholte Regelverstöße geschaffenen Zweifel zu beseitigen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)
Letzte Artikel von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity) (Alle anzeigen)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.