Keine isolierte Anfechtung der MPU-Anordnung: VG Würzburg bekräftigt Grenzen des Rechtsschutzes im Fahrerlaubnisrecht

Mit Beschluss vom 6. März 2025 (Az. W 6 E 25.283) hat das Verwaltungsgericht Würzburg klargestellt, dass die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) grundsätzlich nicht isoliert mit einstweiligem Rechtsschutz angegriffen werden kann. Der Fall betraf eine Fahrerlaubnisinhaberin, die nach einem verwirrten Verhalten bei einem Unfall und einer bekannten psychiatrischen Erkrankung ein ärztliches Gutachten vorlegte. Die Behörde hielt dennoch an der MPU-Anordnung fest. Das Gericht lehnte den Antrag ab – und formulierte zugleich eine klare Absage an die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten im Vorfeld eines Entziehungsbescheids.

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer umfangreichen und war am 8. August 2023 in einen Parkplatzunfall verwickelt. Polizeibeamte berichteten von auffälligem Verhalten und starker Verwirrtheit. Zudem gab die Frau an, wegen einer psychischen Erkrankung regelmäßig Medikamente einzunehmen.

Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde zunächst ein ärztliches Gutachten an, das im Mai 2024 auch vorgelegt wurde. Dieses attestierte eine ausreichende Fahreignung für die Gruppe 1 (Pkw und leichte Krafträder). Dennoch äußerte die Behörde weitere Zweifel an der psycho-physischen Leistungsfähigkeit und ordnete mit Schreiben vom 22. November 2024 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Die Antragstellerin legte dieses nicht vor, sondern beantragte einstweiligen Rechtsschutz gegen die Gutachtensanordnung.

Rechtliche Analyse

Der Antrag wurde als unzulässig abgewiesen. Weder war die MPU-Anordnung isoliert angreifbar, noch bestand ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse für eine vorbeugende gerichtliche Klärung. Die Antragstellerin muss den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten – gegebenenfalls nach Erlass eines Entziehungsbescheids.

Kein Verwaltungsakt – keine isolierte Anfechtung

Kern der gerichtlichen Ablehnung ist die verwaltungsverfahrensrechtliche Qualifikation der MPU-Anordnung. Nach gefestigter Rechtsprechung (u.a. BVerwG, Urt. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20) handelt es sich bei der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine vorbereitende Maßnahme der Sachverhaltsaufklärung. Sie entfaltet keine eigenständige Regelungswirkung und ist daher auch nicht isoliert angreifbar. Ein Antrag auf Feststellung, dass die Antragstellerin sich nicht untersuchen lassen müsse, laufe daher ins Leere.

Das Gericht betont, dass ein etwaiger späterer Entziehungsbescheid sehr wohl anfechtbar sei – und dabei die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung zwingend zu prüfen wäre. Der Betroffenen bleibe also effektiver Rechtsschutz gewahrt, allerdings zum „richtigen Zeitpunkt“.

Keine Übertragbarkeit der beamtenrechtlichen BVerfG-Rechtsprechung

Die Antragstellerin berief sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Anfechtbarkeit beamtenrechtlicher Untersuchungsanordnungen (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21). Diese Argumentation ließ das VG Würzburg nicht gelten: Anders als im , wo die Weisungsgebundenheit des Beamten mit disziplinarischen Risiken bei Nichtbefolgung einhergeht, liegt im Fahrerlaubnisrecht bei Nichtvorlage des Gutachtens kein „Ungehorsam“ vor. Vielmehr ist es dem Inhaber überlassen, durch das Gutachten zur Klärung der Eignung beizutragen – auf eigenes Risiko. Die Konsequenz sei nicht straf- oder disziplinarischer Natur, sondern Ausdruck eines Beweiswürdigungsgrundsatzes (§ 11 Abs. 8 FeV).

Kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis

Auch unter dem Gesichtspunkt vorbeugenden Rechtsschutzes lehnte das Gericht den Antrag ab. Zwar sei die MPU-Anordnung mit erheblichen persönlichen Belastungen verbunden. Diese begründeten jedoch kein außergewöhnliches Rechtsschutzinteresse. Es fehle an glaubhaft gemachten, nicht wiedergutzumachenden Nachteilen. Der Hinweis auf eine schlechte ÖPNV-Anbindung des Wohnorts oder familiäre Umstände reiche insoweit nicht aus, um eine besondere Dringlichkeit zu begründen. Die Antragstellerin müsse sich auf das reguläre Rechtsmittelverfahren nach Erlass eines Entziehungsbescheids verweisen lassen.

Das VG Würzburg macht deutlich: Gegen die Anordnung einer MPU ist kein isolierter Eilrechtsschutz möglich. Wer ein solches Gutachten nicht beibringt, muss eine Entziehung der Fahrerlaubnis abwarten – und kann dann im Hauptsacheverfahren um seine Fahreignung streiten. Ein klarer Fingerzeig für ein prozedural diszipliniertes Fahrerlaubnisverfahren. Aber: Die MPU-Anordnung ist Teil eines prozessualen Stufensystems und kann nicht losgelöst vom eigentlichen Verwaltungsakt – der Entziehung – bekämpft werden. Effektiver Rechtsschutz bleibt gewahrt, aber im Rahmen des regulären Rechtsschutzsystems. Vorgriffe per einstweiliger Anordnung sind nur in echten Ausnahmekonstellationen zulässig.

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des VG Würzburg ist rechtssystematisch konsequent und bestätigt die etablierte Linie: Die MPU-Anordnung ist keine eigenständige „Belastungsentscheidung“, sondern Teil eines gestuften Gefahrenabwehrverfahrens. Wer die Mitwirkung verweigert, läuft Gefahr, die Fahrerlaubnis zu verlieren – hat aber ausreichend Gelegenheit, die Rechtmäßigkeit später überprüfen zu lassen.

Bemerkenswert ist die klare Abgrenzung zur beamtenrechtlichen Konstellation. Der Versuch, aus Art. 19 Abs. 4 GG eine „vorverlagerte Rechtsschutzpflicht“ zu konstruieren, scheitert an der rechtlichen Selbstverantwortlichkeit im Verwaltungsverfahren. Die Verwaltung darf auf Kooperation setzen – und daraus im Falle der Verweigerung Konsequenzen ziehen, ohne dass dies eine Sanktion im engeren Sinne darstellt.

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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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