Fahrerlaubnisentzug trotz beruflicher Härte: VGH München bestätigt Punktesystem und Sofortvollzug

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2024 (Az. 11 CS 24.1933) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH München) eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg bestätigt, die den sofortigen Vollzug der Entziehung einer nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zum Gegenstand hatte. Der Antragsteller, ein beruflich stark auf das Autofahren angewiesener Pharmareferent, hatte sich im Eilverfahren gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis nach Erreichen von acht Punkten zur Wehr gesetzt. Der VGH betonte die gesetzliche Zwangslage bei diesem Punktestand und wies auf die Grenzen der gerichtlichen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz hin.

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte im Zeitraum von 2019 bis 2023 mehrfach gegen Verkehrsregeln verstoßen – hauptsächlich durch überhöhte Geschwindigkeit und Unterschreitungen des Sicherheitsabstands. Diese Verstöße wurden jeweils mit rechtskräftigen Bußgeldbescheiden geahndet und führten sukzessive zur Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister. Nachdem der Betroffene – ordnungsgemäß ermahnt und verwarnt – im August 2023 einen achten Punkt erreichte, entzog ihm das Landratsamt Neumarkt i.d.OPf. Anfang Oktober 2024 die Fahrerlaubnis.

Die hiergegen gerichtete hatte keine aufschiebende Wirkung. Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte das Verwaltungsgericht bereits abgelehnt. Auch der VGH sah in der Beschwerde keinen Erfolg.

Rechtliche Analyse

Gesetzliche Pflicht zur Entziehung bei acht Punkten

Kern der Entscheidung ist die strikte Ausgestaltung von § 4 Abs. 5 StVG: Wer acht Punkte erreicht, gilt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen – die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen. Diese Regelung sei laut VGH Ausdruck einer gesetzgeberischen Gefahrenprognose, die bei mehrfachen schwerwiegenden Verkehrsverstößen eine abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit annimmt. Eine Einzelfallabwägung hinsichtlich persönlicher oder beruflicher Härten ist auf dieser Stufe des Fahreignungssystems grundsätzlich nicht vorgesehen.

Kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sah das Gericht keine Bedenken. Der Entzug sei verhältnismäßig, da dem Betroffenen durch die vorhergehenden Stufen (Ermahnung, Verwarnung, Seminaroption) hinreichend Gelegenheit gegeben wurde, sein Verhalten zu ändern. Die Behauptung, es sei nie zu konkreten Gefährdungen oder Unfällen gekommen, ändere daran nichts – das System stelle auf typisierende Wahrscheinlichkeiten und nicht auf nachträgliche Schadensfolgen ab.

Keine Ungleichbehandlung von Vielfahrern

Besonders deutlich wird der VGH bei der Frage, ob berufliche Vielfahrer – wie der Antragsteller – gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern besonders geschützt werden müssten. Eine Differenzierung nach Fahrleistung sei nicht praktikabel und auch sachlich nicht geboten. Vielmehr steige mit der Verkehrsteilnahme auch das Gefährdungspotenzial.

Sofortvollzug im öffentlichen Interesse

Angesichts des hohen Schutzguts – Sicherheit im Straßenverkehr – überwiege das Vollzugsinteresse regelmäßig das individuelle Suspensivinteresse. Auch die Ankündigung, sich künftig regelkonform zu verhalten und technische Hilfsmittel (Tempomat) einzusetzen, genüge nicht, um Zweifel an der Ungeeignetheitsvermutung auszuräumen. Eine neue Eignungsprüfung könne nur im Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis und gegebenenfalls mittels MPU erfolgen.

Bewertung der Entscheidung

Der VGH München bekräftigt mit dieser Entscheidung die formale Strenge und Präventivlogik des Fahreignungs-Bewertungssystems. Insbesondere zeigt sich, dass das System keine Einzelfallgerechtigkeit im Sinne individueller Abwägungen auf der Stufe des Punktelimits vorsieht – das ist bewusst so gewollt. Wer acht Punkte erreicht, hat seine Chancen zur Verhaltenskorrektur im Rahmen des gestuften Systems verspielt.

Der Beschluss macht deutlich: Der Sofortvollzug bei Fahrerlaubnisentziehung ist keine Ausnahme, sondern der Regelfall. Persönliche oder wirtschaftliche Härten können die gesetzliche Folge nicht aufheben – der Schutz der Allgemeinheit wiegt schwerer.

Der Beschluss zeigt beispielhaft, wie das Punktesystem als präventives Instrument zur Gefahrenabwehr konsequent durchgesetzt wird – auch bei existenziellen Auswirkungen für den Betroffenen. Es setzt auf klare Regeln statt Ermessensspielräume und betont den kollektiven Schutz vor individuellen Ausnahmen.

Der VGH München stellt klar: Acht Punkte bedeuten den – ohne Wenn und Aber. Selbst erhebliche berufliche Nachteile heben die gesetzliche Ungeeignetheitsvermutung nicht auf. Wer im Straßenverkehr wiederholt gegen Regeln verstößt, verliert das Recht auf Teilnahme – zum Schutz aller.

Ergebnis

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb erfolglos. Der Pharmareferent muss seinen unverzüglich abgeben und kann eine neue Fahrerlaubnis nur über den Weg der medizinisch-psychologischen Begutachtung beantragen. Für Vielfahrer wie ihn ergibt sich daraus ein klarer Hinweis: Regelmäßigkeit der Nutzung ersetzt keine Regelkonformität – vielmehr steigt mit ihr das Risiko und die Verantwortung.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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