Kein Verstoß durch Kaffee-Angebote unter Herstellungskosten

Gericht stoppt Vorwurf des Preis-Dumpings: Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 16.01.2025, Az. 14d O 14/24) hatte über eine wirtschafts- und kartellrechtlich brisante Streitfrage zu entscheiden: Darf ein Lebensmitteleinzelhändler Kaffeeprodukte unter den eigenen Herstellungskosten verkaufen, ohne gegen das Wettbewerbsrecht zu verstoßen? Die Klägerin, ein großer Anbieter von – und Food-Produkten, sah sich durch die Niedrigpreisaktionen der Beklagten – eines Handelskonzerns mit eigener Kaffeeröstung – massiv benachteiligt und klagte auf Unterlassung. Das Landgericht wies die ab.

Sachverhalt

Die Klägerin beanstandete, dass die Beklagte im Rahmen mehrerer Angebotswochen Kaffeeprodukte unterhalb der tatsächlichen Herstellungskosten verkauft habe. Dies betreffe insbesondere die Eigenmarke „Z.“, die von einer Konzerntochter der Beklagten selbst produziert wird. Die Klägerin sah darin eine gezielte Wettbewerbsbehinderung und stützte sich auf § 20 Abs. 3 sowie § 3 UWG. Im Zentrum stand die Frage, ob solche Preisaktionen eine unbillige Behinderung kleinerer Wettbewerber darstellen.


Rechtliche Analyse

1. Keine automatische Anwendung des § 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GWB

Zwar sieht § 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GWB ein Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis vor. Dieses greift jedoch nur, wenn ein objektiv nachvollziehbarer Einkaufspreis vorhanden ist – was bei konzerninternen Transaktionen nicht der Fall ist. Das Gericht stellte daher klar, dass bei Eigenproduktion der Einstandspreisbegriff nicht greift. Eine bloße Unterschreitung der Herstellungskosten ersetzt die gesetzlich normierte Schwelle des Einstandspreises nicht.

2. Keine unbillige Behinderung im Sinne der Generalklausel

Die Anwendung der Generalklausel des § 20 Abs. 3 S. 1 GWB scheiterte laut Gericht an zwei Voraussetzungen:

  • Keine Verdrängungsabsicht: Das Gericht erkannte keine gezielte Marktverdrängungsstrategie, sondern eine legitime Mischkalkulationspolitik. Die Preissenkungen sollten Kunden in die Filialen locken, nicht Wettbewerber ausschalten.
  • Keine nachhaltige Wettbewerbsbeeinträchtigung: Die Angebotsaktionen waren weder systematisch noch intensiv genug, um die Marktstruktur substanziell zu gefährden. Nur ein kleiner Teil des Sortiments war betroffen, und die Aktionszeiträume waren begrenzt.

Das Gericht betonte, dass preisaggressive Werbung in Form selektiver Rabattaktionen zum Wesen eines funktionierenden Wettbewerbs gehört – auch wenn Mitbewerber dadurch unter Druck geraten.

3. Keine Marktbehinderung i.S.d. UWG

Auch der ergänzend bemühte § 3 Abs. 1 UWG bot keinen Anknüpfungspunkt. Die behauptete allgemeine Marktbehinderung sei nicht ersichtlich, da es an einer flächendeckenden oder systematischen Ausschaltung des Wettbewerbs fehle. Das Gericht warnte zudem vor einem unzulässigen „Umschwenken“ auf das UWG, wenn der kartellrechtliche Schutzbereich verfehlt werde.

4. Keine Analogie zur Einstandspreisregelung

Die Klägerin plädierte dafür, die Wertungen des § 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GWB auf Herstellungskosten zu übertragen. Das Gericht lehnte dies entschieden ab: Es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine hinreichende Vergleichbarkeit der Interessenlagen vor. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für die Beschränkung auf Einstandspreise entschieden und die Einbeziehung selbstproduzierender Unternehmen bislang unterlassen.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Eine unbillige Behinderung durch Preisaktionen unter Herstellungskosten liegt nicht per se vor – sie muss im Lichte tatsächlicher Marktverhältnisse und wirtschaftlicher Strategien bewertet werden. Die Entscheidung verdeutlicht die Zurückhaltung der Gerichte bei der Einschränkung marktwirtschaftlicher Preisgestaltung und schützt damit auch innovative Wettbewerbsformen.

Fazit

Das Landgericht Düsseldorf stellt mit dieser Entscheidung klar, dass aggressive, aber betriebswirtschaftlich motivierte Preisaktionen auch unterhalb der Herstellungskosten zulässig sein können – jedenfalls solange keine Verdrängungsabsicht oder strukturelle Wettbewerbsgefährdung erkennbar ist. Produzierende Handelsunternehmen sind nicht automatisch schärferen Maßstäben unterworfen als reine Wiederverkäufer. Dies stärkt die Gestaltungsfreiheit vertikal integrierter Konzerne und betont die Eigenverantwortung der Marktteilnehmer.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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